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Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titel: Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Beesley
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Boote an Backbord – die Nummern 10 bis 16 waren noch an Deck zu erkennen –
noch nicht vom Bootsdeck herabgelassen worden waren wie die steuerbordseitigen
Boote. Es mag auch angenommen worden sein, daß Frauen auf der einen und Männer
auf der anderen Seite einsteigen dürften. Egal wie dieses Gerücht entstand, die
Männer der Steuerbordseite reagierten darauf und drängten sofort nach Backbord,
um die Vorbereitungen des Herablassens zu beobachten, und entvölkerten damit
die Steuerbordseite. Zwei oder drei Männer blieben zurück; gleichwohl blieben
wir nicht aus einem bestimmten Grund dort. Persönlich kann ich mich an keine
Eingebung aus meinem Bewußtsein erinnern, die mich dazu veranlaßte, entweder
hierzubleiben oder hinüberzugehen. Aber da es kein Prozeß des bewußten Handelns
war, bin ich überzeugt, daß das, was meine Errettung ausmachte, die Anerkennung
der Notwendigkeit bedeutete, ruhig zu bleiben und abzuwarten, welche Rettungsmöglichkeit
sich mir anbieten würde.
    Bald nachdem
die Männer die Steuerbordseite verlassen hatten, sah ich ein Mitglied der
Musikkapelle, den Cellisten, um die Ecke der Veranda aus dem Treppenhaus kommen
und über das nun leere Steuerbord-Deck laufen, sein Cello hinter sich
herziehend, der Sporn kratzte über den Boden. Das muß so gegen 00.40 Uhr
gewesen sein. Ich vermute, die Musik begann kurz danach aufzuspielen und
dauerte bis etwa 02.00 Uhr an. Viele gute Taten wurden diese Nacht vollbracht,
aber wohl nichts Besseres, als daß diese paar Männer Minute um Minute spielten,
während das Schiff Stück für Stück in die See versank, und diese höher und
höher an ihren Standort herankam. Die Musik, die sie spielten, war wie ein
Klagelied zu ihrem eigenen Begräbnis und zeigte ihr Recht an, in die Halle des
unsterblichen Ruhms aufgenommen zu werden.
    Nach vorn und
nach unten sehend, konnten wir nun viele Boote auf dem Wasser erkennen, die
sich langsam Stück für Stück entlang der Bordwand bewegten, ohne Hektik oder
Lärm, und die sich fortstahlen in die sie verschlingende Dunkelheit, als sich
die Besatzungen in die Riemen legte. Ein Offizier – ich denke, der Erste
Offizier Murdoch – schritt auf dem Deck entlang, gekleidet in einem langen
Mantel, in seinem Stil und Ausdruck ganz und gar in Aufruhr, aber entschlossen
und durchsetzungsbereit. Er sah über die Seite und rief zu den gerade
herabgelassenen Booten: »Weiter runter, und wenn ihr schwimmt, rudert zur
Gangway [Bordwandpforte] und wartet auf Befehle.« – »Aye, aye, Sir«, war die
Antwort; und der Offizier ging vorbei und hinüber auf die Backbordseite.
     
     
    Fast unmittelbar danach hörte
ich den Ruf von unten: »Sind da noch Frauen?«, und als ich über die Deckskante
sah, bemerkte ich Boot Nummer 13 auf der Höhe des B-Decks mit einer Besatzung
von Heizern, einigen männlichen Passagieren und dem Rest Frauen – letztere
machten ungefähr die Hälfte aus. Das Boot schien fast gefüllt und war soweit,
daß es gefiert werden sollte. Der Ruf nach den Frauen wurde noch zweimal
wiederholt, aber augenscheinlich wurden keine gefunden. Dann sah einer der Crew
zu mir herauf, wie ich hinabsah. »Sind noch Frauen an Deck?« fragte er. »Nein«,
antwortete ich ihm. »Dann sollten Sie besser springen.« Ich saß auf der
Deckskante, mit den Füßen außenbords, warf meinen Übermantel, den ich die ganze
Zeit über meinen Arm getragen hatte, in das Boot, ließ mich fallen und
erreichte das Rettungsboot ziemlich weit hinten.
     

     
    Als ich mich
aufrappelte, hörte ich einen Ruf: »Wart mal einen Moment, da sind noch zwei
Frauen«, und diese wurden hastig über den Decksrand gestoßen und taumelten in
das Boot, eine in die Mitte und eine in meine Nähe am Heck des Bootes. Sie
erzählten mir später, daß sie mit anderen Frauen auf einem tieferen Deck
versammelt waren und nicht den gewöhnlichen Weg zum Bootsdeck über das innere
Treppenhaus nahmen, sondern die eisernen Außenleitern benutzten, die,
eigentlich für Seeleute gedacht, jedes Deck mit den anderen verbinden. Vor
ihnen sind andere Frauen schneller oben gewesen, aber diese beiden kamen
verspätet, weil eine von ihnen – die, der zuerst über die Seite geholfen worden
war, das Boot Nummer 13 in der Mitte zu erreichen – nicht sehr beweglich war.
Es schien so, als ob sie nicht in der Lage wäre, senkrechte Leitern zu
erklimmen. Wir sahen sie einige Stunden später beim Versuch, die Strickleiter
auf der Carpathia hinaufzuklettern, dabei hatte sie die

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