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Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titel: Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Beesley
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so gut verlief, versuchten wir einen Hochruf,
und das ging besser. Es war leichter, unsere Gefühle durch Laute auszudrücken,
denn Takt und Abstimmung waren keine notwendigen Bestandteile bei einem
Hochruf. Im Mittelpunkt unserer Hochachtung zur Befreiung stand ein Name mit
den tiefsten Gefühlen der Dankbarkeit, der von Marconi. Ich wünschte, er wäre
dabei gewesen, um den Chor der Dankbarkeit zu hören, die ihm und seiner
wunderbaren Erfindung galten, die uns viele Stunden, vielleicht Tage, des
Wartens auf See erspart haben, in Hunger, Sturm und Kälte. Vielleicht war unser
Beten nach Marconi das Ausschlaggebende in dieser Nacht gewesen.
    Um uns herum
sahen wir nun Boote, die auf die Carpathia zuhielten, hörten ihre
Anrufe. Unsere Mannschaft ruderte kräftig in freundschaftlicher Konkurrenz mit
anderen Booten, um als erste dort zu sein. Aber wir müssen wohl die achten oder
neunten an der Schiffsseite gewesen sein. Wir waren schwer beladen und mußten
rund um einen ausgewachsenen Eisberg rudern, der auf unserem Weg lag.
    Und dann, um
unsere Freude vollkommen zu machen, begann die Dämmerung. Zunächst nur ein
wunderbarer leichter Schimmer im Osten, dann ein sanftes goldenes Glühen,
welches sich heimlich unterhalb des Horizonts verbreitete, als ob es nicht
beachtet werden sollte, wie es sich über die See stahl und sich lautlos in jede
Richtung ausbreitete, so lautlos, daß es uns glauben machen wollte, es wäre
schon die ganze Zeit über vorhanden gewesen, aber wir hätten es nicht bemerkt.
    Dann wandelte
sich der Himmel schwach rosafarbig. In einiger Entfernung erstreckten sich die
dünnsten, wolligsten Wolkenbänder über den Horizont bis zum Wasser hinunter und
schienen jeden Moment kräftiger rosa zu werden. Als nächstes erstarben die
Sterne, langsam – bis auf einen, der länger als die anderen am Horizont stand.
Nahe dabei, nach Norden zunehmend und mit dem unteren Ende gerade noch die Kimm
berührend, der schmalste und bleichste Mond.
    Mit der
Dämmerung kam eine schwache Brise von Westen auf, wir spürten den ersten
Windzug, seit die Titanic ihre Maschinen angehalten hatte. Einige
Stunden vorauseilend – der Tag ging auf 8.00 Uhr, die Zeit, um welche die
letzten Boote ankamen –, entwickelte sich diese Brise zu einem frischen Wind,
der die See aufwühlte, so daß die letzten mit Menschen beladenen Boote eine angstvolle
Partie in den hüpfenden Wellen vor sich hatten, bis sie die Carpathia erreichten.
Ein Offizier bemerkte, daß eins der Boote die nächste Stunde kaum schwimmend
überstehen würde; der Wind hatte sich gerade lange genug zurückgehalten.
    Unsere
Ruderer arbeiteten mit großer Kraft – je zwei pro Riemen und noch einer, der
alle antrieb, um Schritt zu halten mit den anderen Booten. Da rief der Kapitän
über die Köpfe der Mannschaft hinweg: »Neumond! Tut euer Geld raus, Matrosen,
aber nur, wenn ihr welches habt!« [Aberglaube: bei Neumond verdoppelt sich
Geld.] Wir lachten über seinen seltsamen Scherz um diese Zeit, und es war gut,
wieder zu lachen, aber er zeigte seinen Unglauben noch in einer anderen
Aussage, als er ergänzte: »Nun, ich werde niemals wieder sagen, daß 13 eine
Unglückszahl ist. Boot Nummer 13 ist der beste Freund, den wir je hatten.«
    Wenn es unter
uns welche gegeben haben sollte, die mit der Nummer 13 Unglück verbanden – und
es schien sicher zu sein, daß es solche gab, die daran festhielten –, so bin
ich sicher, daß sie mit dem Heizer übereinstimmten und niemals wieder so einem
verrückten Aberglauben Aufmerksamkeit schenken würden. Vielleicht hat sogar der
Unglaube selbst einen Schlag erlitten, wenn er daran erinnert wird, daß das
Boot Nr. 13 der Titanic eine volle Ladung von dem sinkenden Schiff
fortgebracht und so gefahrlos die Nacht über getragen hat, daß es nicht einen
Tropfen Wasser übernahm und die Insassen sicher zur Seite der Carpathia brachte,
wo sie ohne einen Mißgriff hochkletterten. Es verleitet fast dazu, der 13. an
einer Tafel zu sein oder sich ein Haus mit der Nummer 13 auszusuchen, ohne
Angst, daß es schiefläuft nach dem, das man nicht ganz ernst »Vorsehung« nennt.
Im schwachen Lichte in Richtung Carpathia schauend, meinten wir, zwei
große, vollgetakelte Segelschiffe in Horizontnähe zu erkennen, alle Segel
gesetzt, in der Nähe der Carpathia stehend. Wir entschieden, daß es
Fischereifahrzeuge der Neufundlandbänke sein müßten, welche die Carpathia hatten
anhalten sehen, um ihr Hilfe anzubieten, wenn sie danach fragen

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