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Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titel: Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Beesley
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diese am Morgen in früher Dämmerung
an Deck kamen. Kein Dichter würde es wagen, eine solche Ansammlung zu
beschreiben: wunderbare Wetterbedingungen, ein rosiges Morgenrot, der Morgenstern
und der Mond über dem Horizont. Das Wasser erstreckt sich in seiner ganzen
Schönheit bis zur Kimm, und dann auf dieser See ein Eisfeld von arktischen
Ausmaßen plaziert und unzählige Eisberge überall – weiße, rosagetauchte und
tödlich kalte – und nahe bei ihnen plötzlich heraufkommende Boote aus der Mitte
des Ozeans, um jene herumrudernd und ihnen ausweichend, mit Passagieren,
gerettet von dem wunderbarsten Schiff, das die Welt je sah. Kein Künstler würde
sich ein solches Bild aussinnen: es würde weit außerhalb der Vorstellungen
liegen und nicht anerkannt werden. So eine Zusammenstellung von Ereignissen
würde die Grenze der Einbildungskraft von Autor und Künstler überschreiten!
    Die
Passagiere säumten die Reling und sahen auf uns herab, wie wir heranruderten an
diesem Morgen: Sie standen ruhig dabei, als die Besatzung uns an der Gangway
unten an Bord nahm, und beobachteten uns, wie wenn das Schiff im Hafen läge,
und wir hätten es nur in einer etwas ungewöhnlichen Weise betreten. Einige
berichteten, daß wir sehr ruhig waren, als wir an Bord kamen: es ist wirklich
wahr, wir waren es – aber sie waren es auch. Es gab wenig Erregung auf beiden
Seiten, nur das ruhige Erdulden von Leuten, die unter einem Eindruck stehen,
der zu mächtig für ihre geistige Auffassung ist und den sie auch heute noch
nicht verstehen. Und so fragten sie uns höflich, ob wir heißen Kaffee wünschten
– den wir annahmen – und Essen, das wir im allgemeinen ablehnten, da wir nicht
hungrig waren, und sie sprachen zunächst nicht über den Verlust der Titanic und
unsere Abenteuer in der Nacht.
    Es gibt
vieles, das übertrieben oder falsch beschrieben wurde, die Verfassung der
Passagiere betreffend, die an Bord kamen. Wir wurden als zu überdreht
beschrieben, um zu verstehen, was passiert war, als zu überwältigt, um zu
sprechen, und vor uns hinsinnend »… starr, staunenden Blickes«, »… betäubt vom
Schatten des furchtbaren Eindrucks«. Das ist ohne Zweifel das, was viele Leute
von uns unter den gegebenen Umständen erwarteten, aber ich weiß, daß es nicht
den richtigen Eindruck unseres Ankommens wiedergibt, tatsächlich ist es nicht
wahr. Wie schon vorher bemerkt, ist das einzig Bedeutende an der Beschreibung
von Ereignissen dieser Art, bei der Wahrheit zu bleiben, soweit sie die
fehlbaren menschlichen Gedanken nur ausdrücken kann. Mein eigener Eindruck über
unseren geistigen Zustand ist der, daß wir äußerst dankbar und erleichtert über
die Möglichkeit waren, wieder ein Schiffsdeck betreten zu können. Es ist mir
klar, daß die Erfahrungen in den besetzten Booten ziemlich unterschiedlich
ausfielen; daß solche, die im unklaren über das Schicksal ihrer Angehörigen und
Freunde von Angst und Sorge befallen waren, verschieden reagierten. Aber sich
mit den geistigen Bedingungen befassend, soweit sie durch Gestik und
Körperhaltung ausgedrückt wurden, denke ich, daß Freude, Erleichterung und
Dankbarkeit die wesentlichen Gefühle waren, die auf den Gesichtern derjenigen
geschrieben standen, welche die Strickleitern hochkletterten und in Körben
heraufgezogen wurden.
    Es darf nicht
vergessen werden, daß niemand in dem einen Boot wußte, wer in den anderen
Booten gerettet worden war, nur wenige wußten überhaupt, wie viele Boote es gab
und wie viele Passagiere sie aufnehmen konnten. Es schien um diese Zeit möglich
zu sein, daß Freunde ihnen auf die Carpathia folgen würden oder sich an
Bord anderer Dampfer befanden oder sich auf dem Kai einfänden, an dem wir
anlegen würden. Die dramatischen Szenen, die beschrieben wurden, wären
vorstellbar gewesen; wahr ist, daß eine Frau unmittelbar nach Ankunft im Salon
hysterisch geschrien hat, aber sie konnte gar nicht sicher sein, ob sie einen
ihrer Freunde verloren hatte. Vielleicht war um diese Zeit das Gefühl der
Erleichterung nach etlichen Stunden des Herumtreibens auf See zuviel für sie
gewesen.
    Eines der
ersten Dinge, die wir taten, war die Belagerung eines Stewards, der einen Block
mit Telegramm-Formularen bereithielt. Er war der Überbringer der willkommenen
Neuigkeit, daß Passagiere kostenlos Marconigramme zu ihren Angehörigen abschicken
könnten, und gleich darauf trug er einen Stapel hastig gekritzelter Meldungen
zum Funker. Um diese Zeit war die letzte

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