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Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titel: Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Beesley
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verhängnisvoll, solche Bilder in die Welt zu
setzen! Es gab einige bedauernswerte Szenen von Leuten, die Angehörige verloren
hatten, aber wieder einmal zeigten Frauen ihre Selbstbeherrschung und gingen in
den meisten Fällen mit außergewöhnlicher Ruhe durch diese schwere Prüfung. Es
tut gut zu bemerken, daß der gleiche Bericht ergänzte: »Einige, seltsam genug,
waren ruhig und klar«; wenn man statt »einige« – »die große Mehrzahl« sagte,
wäre das viel näher an der wahren Beschreibung des Landganges an der
Cunard-Pier in New York gewesen.
    Es scheint
keinen vernünftigen Grund zu geben, warum ein Artikel zu dieser Szene den
allgemeinen Kummer und die Sorgen schildern sollte, jede Einzelheit ausmalend
zur Befriedigung der schrecklichen und abgründigen menschlichen Gelüste. Die
ersten Fragen, welche die erregten Reporter stellten, als sie herumschwärmten,
war die, ob es wahr sei, daß Offiziere Schußwaffen gegenüber Passagieren
gebraucht hätten, die ersteren sich dann selbst erschossen hätten, ob sich
Passagiere gegenseitig beschossen hätten, ob irgendwelche Schreckensszenen
bemerkt worden waren, und was das für welche gewesen sind… Es wäre besser
gewesen, den guten Gesundheitszustand der meisten Geretteten zu erwähnen, ihre
Dankbarkeit über ihre Befreiung aus Seenot, jene tausenderlei Gründe zur
Freude. Inmitten der vielfältigen Beschreibungen der hysterischen Seite sollte
Platz sein für das Normale – und ich wage zu behaupten, daß die Normalität den
wesentlichen Teil des Ankommens in dieser Nacht ausmachte. Im letzten Kapitel
werde ich versuchen, die Beständigkeit des Normalen während des ganzen Unglücks
zu zeigen. Nichts verursacht eine größere Überraschung, als Menschen zu finden,
die in Gefahrensituationen nicht so reagieren, wie man es allgemein erwartet –
und wie ich ergänzen muß, wie sie allgemein beschrieben werden. Und so kehrte das
gute Schiff Carpathia nach New York zurück in dem Bewußtsein, ihr
Rettungswerk gut ausgeführt zu haben. Jedermann, der sie besuchte; jeder im
Hafen; jeder, der von ihrer Reise hörte, wird den Worten Kapitän Rostrons
zustimmen: »Ich danke Gott, daß ich mich in Reichweite drahtloser Übermittlung
befand und daß ich rechtzeitig dort war, um die Überlebenden des Wracks
aufzunehmen.«

 
    Die Lehren, gezogen aus dem Verlust der Titanic
     
     
     
    Eines der bedauernswertesten
Dinge in den zwischenmenschlichen Beziehungen – die Handlungen und Reaktionen
von Ereignissen, die konkret das »menschliche Leben« ausmachen – ist die
Tatsache, daß ab und zu einige von ihnen aufgefordert werden, ihr Leben zu
opfern. Es sind nicht jene mit dem Pflichtgefühl oder einer Berufsehre gemeint,
wie man sie zum Beispiel bei Soldaten oder Seeleuten findet, sondern jene
werden aufgerufen, die mit der Gefahr plötzlich konfrontiert werden – ohne
vorheriges Wissen oder Warnung vor der Gefahr, ohne Möglichkeiten der Flucht
und ohne jeden Wunsch, ein solches Risiko freiwillig einzugehen. Es ist ein
Makel unserer Zivilisation, daß diese Dinge von Zeit zu Zeit notwendig sind, um
die Verantwortlichen für die Sicherheit unseres Lebens aus ihrer gleichgültigen
Selbstsucht wachzurütteln, von der sie gesteuert werden. Die etwa 2000
Passagiere, die an Bord der Titanic gingen, dachten, sie wären auf einem
absolut sicheren Schiff, obwohl es die ganze Zeit über Menschen gab –
Ausstatter, Bauleute, Experten, Regierungsstellen, die wußten, daß nicht
genügend Rettungsboote vorhanden waren. Diese wußten, daß die Titanic nicht
das Recht hatte, so schnell durch Eisberggebiete zu fahren. Sie kannten alle
diese Tatsachen und unternahmen doch keine Schritte, um der möglichen
Katastrophe vorzubeugen. Nicht, daß sie es absichtlich unterließen, aber sie
waren eingelullt in eine Art Selbstgefälligkeit, aus der sie nur durch eine
Tragödie wie dieser aufgeweckt wurden. Es ist eine schreckliche Notwendigkeit,
welche verlangt, daß ein paar sterben müssen, damit sich bei vielen Menschen
ein Gefühl für ihre eigene Unsicherheit einstellt, der Tatsache Rechnung
tragend, daß schon seit Jahren die Möglichkeit eines solchen Unglücks bestanden
hat.
    Die
Passagiere wußten nichts von diesen Dingen, und weil es nicht gut erschien,
ihnen grundlos von den Gefahren der Ozeane zu erzählen, ist eine Sache sicher:
Wenn sie die Gefahren kennen würden, reisten viele nicht unter solchen
Bedingungen. Also würden bald strengere Sicherheitsregeln von den

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