Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte
Schiffbauern
verlangt werden, von den Reedereien und der Regierung. Aber es gab Leute,
welche die Gefahren kannten und nicht versäumten, auf diese hinzuweisen: im
Unterhaus wurden sie zeitweise vertraulich behandelt, und ein amerikanischer
Marine-Offizier, Kapitän E. K. Roden, brachte sie in einem Artikel zum Ausdruck,
der seitdem vielfach zitiert wurde. Er lenkte die Aufmerksamkeit auf die
Unzulänglichkeiten dieses einzelnen Schiffes – der Titanic, als Beispiel
für andere – und führte aus, daß sie nicht unsinkbar sei und nicht genügend
Rettungsbootskapazität habe. Jetzt muß die Frage nach der Verantwortung für den
Verlust der Titanic gestellt werden. Auf keinen Fall, um die Schuld
diesem oder jenem zuzuschieben und einen Sündenbock zu finden – das wäre
Zeitverschwendung. Aber wenn das Festschreiben von Verantwortlichkeit schnell
und wirksam zu einem Gegenmittel führt, sollte es unmittelbar in Angriff
genommen werden. Es ist das mindeste, was wir als Verpflichtung einfach denen
schuldig sind, die von der Titanic mit hinabgezogen wurden. Sich zuerst
mit den Vorsichtsmaßnahmen bezüglich der Schiffssicherheit befassend,
unabhängig von den Rettungsmitteln, kann es nach meiner Meinung keine Frage
sein, daß die direkte Verantwortung für den Verlust der Titanic und so
vieler Leben dem Kapitän angelastet werden muß. Er war der Verantwortliche für
den Kurs, für die Geschwindigkeit, mit der sie fuhr, Tag für Tag und Stunde für
Stunde. Nur er allein hatte die Macht zu entscheiden, ob er die Fahrt
herabsetzen sollte bei Eisbergen genau voraus oder nicht. Kein Offizier hat irgendein
Recht, sich in die Navigation einzumischen, jedoch wird er ohne Zweifel zu Rate
gezogen werden. Auch wird keinem Geschäftsträger der Gesellschaft – Herrn Ismay
zum Beispiel – erlaubt werden, dem Kapitän Anweisungen zu geben. Es gibt auch
keine Hinweise, daß er es je versucht hätte. Die unumstößliche Tatsache, daß
der Kapitän eines Schiffes solche absolute Autorität besitzt, verstärkt dessen
Verantwortung ungeheuer.
Selbst wenn
man annimmt, daß die White Star Line und Herr Ismay vor der Abfahrt den Kapitän
gedrängt hätten, einen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen – wieder eine
Annahme –, könnten sie nicht direkt verantwortlich gemacht werden für den
Zusammenstoß. [Beesley verdrängt, daß es »feinere Formen« der Beeinflussung
nachweislich gegeben hat. Sie betrafen nicht die absolute Geschwindigkeit,
sondern eine publikumswirksame Ankunftszeit in New York.] Der Kapitän war für
die Leben der einzelnen an Bord verpflichtet, und niemand anders als er war
dazu bestimmt, das Risiko abzuschätzen, die Geschwindigkeit festzulegen, wenn
Eis voraus gemeldet wird. Solchermaßen betrachtet können seine Handlungen nicht
durch vorsichtige Seemannschaft gerechtfertigt sein. Aber die Frage nach der
indirekten Verantwortung zieht sofort eine Reihe von weiteren Fragen nach sich,
die, wie ich denke, einen großen Teil der persönlichen Verantwortung von
Kapitän Smith für den Verlust seines Schiffes nehmen. Es wäre gut, wenn einige
dieser Streitfragen berücksichtigt würden.
Zuerst lassen
Sie uns einmal die Wahrscheinlichkeit abschätzen, daß so etwas überhaupt
passiert – sich von dem Wissen befreiend, daß die Titanic den Eisberg
traf und sank. Ein Eisberg ist klein und beansprucht wenig Platz im Vergleich
zum großen Ozean, in dem er schwimmt. Die Chancen eines anderen kleinen Objektes
wie ein Schiff, mit ihm zusammenzustoßen und daraufhin zu sinken sind sehr
klein; die Wahrscheinlichkeit ist tatsächlich nur 1 zu 1000000. Das ist keine
aus der Luft gegriffene Annahme, das ist die echte Risikorate, wie sie von
Versicherungsgesellschaften für einen Totalverlust bei einer Kollision mit
einem Eisberg angenommen wird. Das Eintreten dieses
»Eins-zu-einer-Millionen-Unfalls« war es, welches die Titanic versenkte!
Aber wenn
Kapitän Smith allein das Risiko zu tragen hatte, so trug er auch die Schuld für
das daraus folgende Unglück. Es sieht so aus, als wäre er damit nicht allein,
denn das gleiche Risiko wird immer wieder von schnellen Post-Passagier-Schiffen
getragen, bei Nebel und mit Eisbergen auf ihrem Kurs. Ihre Kapitäne haben das
schwere Los immer wieder auf sich genommen – und jedesmal gewonnen; er machte
es genauso – und verlor. Natürlich war die Chance, in jener Nacht einen Eisberg
zu treffen, viel größer als 1: 1000000, zudem wurde sie durch die
außergewöhnliche südliche Position
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