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Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titel: Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Beesley
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einer großen Anzahl von Eisbergen sowie
Eisfeldern enorm vergrößert. Daran denkend, welches Panorama an Deck der Carpathia unsere Augen sahen, nachdem wir aufgenommen wurden – die große Anzahl von
Eisbergen, so weit das Auge blickte –, erscheint die Möglichkeit, keinen von
diesen in der Dunkelheit zu treffen, klein!
    Je mehr man
darüber nachdenkt, daß die Carpathia mit voller Fahrt in der Dunkelheit
an diesen Eisbergen vorbeigekommen ist, je unerklärlicher scheint es
tatsächlich zu sein. Sicher, der Kapitän hatte eine zusätzliche Ausguck-Wache
postiert, und jeder Sinn der Männer auf der Brücke war auf das äußerste
geschärft, den kleinsten Schimmer von Gefahr zu entdecken, und außerdem fuhr er
nicht so schnell wie die Titanic und hatte sein Schiff besser im Griff.
Aber dieses alles zugestanden: Er zeigte sich bereit, ein großes Risiko
einzugehen, als er sich verbissen zwischen den bösen 200-Fuß-Monstern in
dunkler Nacht durchschlängelte. Bedeutet das, daß das Risiko vielleicht gar
nicht so groß war, wie es uns erschien; daß wir etwas unnormal empfanden, was
als normales Risiko bei der Fahrt umgeben von Eisbergen hingenommen wird? Er
hatte sein eigenes Schiff und seine Passagiere zu berücksichtigen, und er hatte
nicht das Recht, ein allzu großes Risiko einzugehen.
    Aber Kapitän
Smith konnte nicht wissen, daß es so viele Eisberge geben würde – welche
Warnungen er erhielt, ist noch nicht genau bekannt. Es gab wahrscheinlich drei
–, aber es ist im höchsten Maße unwahrscheinlich, daß er wußte, daß andere
Schiffe Eisberge in solchen Mengen gesichtet hatten, wie wir sie am Montag
morgen sahen, das ist tatsächlich undenkbar!
    Er dachte
ohne Zweifel, er würde das gewöhnliche Risiko eingehen, und es stellte sich
heraus, daß es ein außergewöhnliches war. Wenn man einige Kritiken liest,
scheint es so, als hätte er sein Schiff vorsätzlich, gegen jede Gewohnheit,
durch das eisverseuchte Gebiet gehetzt, ein Verfahren, das niemand vor ihm je
getan hatte, so daß er alle Präzedenzfälle gröblich verletzte, da er die Fahrt
nicht herabsetzte. Aber es ist klar, daß sich das nicht so verhielt. Jeder
Kapitän, der durch Nebel und Eisberggebiete mit voller Geschwindigkeit fährt,
hat die gleiche Schuld zu tragen wie er, nur: sie kamen durch und er nicht.
Andere Schiffe können noch schneller fahren, als es die Titanic je
vermochte, wenn jene vom Eis getroffen würden, wäre es noch schlimmer
ausgegangen. Es darf nicht vergessen werden, daß die Kraft des Aufpralls mit
dem Quadrat der Geschwindigkeit wächst. Zum Beispiel ist sie viermal so groß
bei sechzehn Knoten wie bei acht, neunmal so groß bei vierundzwanzig, und so
weiter. Und mit der knappen Zeitreserve, die man diesen Schiffen zubilligt,
müssen sie fast die ganze Reise über mit voller Kraft laufen. Erinnern Sie sich
an die Ankündigungen »Verlassen Sie New York am Mittwoch – und speisen Sie am
folgenden Montag in London« – und das im regelmäßigen Turnus, wie nach einem
Schnellzug-Fahrplan. Auch würden ihre Offiziere noch weniger in der Lage sein,
einen Zusammenstoß zu vermeiden, als Murdoch auf der Titanic, weil sie
den Eisberg in noch kürzerer Zeit erreicht hätten. Viele Passagiere können
davon berichten, daß ein guter Teil ihrer Überquerung im Nebel verlief,
manchmal sogar die ganze Strecke, und sie hatten am Ende der Reise kaum ein
paar Stunden eingebüßt. Wenn das die allgemeine Gewohnheit ist, ist das ein
allgemeiner Mißstand, nicht die Schuld eines einzelnen Kapitäns. Das Verhalten
wird im wesentlichen durch Forderungen bestimmt, und diese zu erfüllen ist die
entsprechende Antwort. Was die Passagiere erwarten, erfüllt die White Star
Line, und so sind beide, Publikum und Reederei, betroffen von der Frage nach
der indirekten Verantwortung. Das Publikum verlangte Jahr um Jahr mehr, höhere
Geschwindigkeit ebenso wie größere Bequemlichkeit, und den Kunden entgegenkommend,
wurden die langsameren Schiffe aus dem Verkehr gezogen, und so entstand
allmählich die jetzige Situation. Nicht, daß die Geschwindigkeit an sich eine
gefährliche Sache ist, – es ist manchmal sicherer, schneller zu fahren als
langsamer – aber wenn die Voraussetzungen für Schnelligkeit gegeben sind und es
einen Anreiz durch ständige Publikumswünsche gibt, wächst die Möglichkeiten
ihres Einsatzes. Wenn die Schiffsführung zunehmend davon beherrscht wird –
meistens ohne Zweifel unbewußt – ist sie bereit, Risiken auf sich zu

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