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TITANIC-WORLD

TITANIC-WORLD

Titel: TITANIC-WORLD Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Aust-Jones
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bewunderten und sich ein bisschen wie die Crème de la crème von 1912 fühlten, saßen die Lerocs schweigend an einem Tisch am Fenster. Als Antoinette um kurz vor fünf Uhr in den Rauchsalon gerauscht war, hatte es ein kurzes Wortgefecht zwischen ihnen gegeben. Doch zum ersten Mal seit Jahren, war Yves als Sieger daraus hervor gegangen. Ihr Blick war sofort auf das leere Cognacglas gefallen und sie hatte gleich eine bissige Bemerkung über seinen Alkoholkonsum am hellichten Tage gemacht. Nacheinander hatte Antoinette bitterböse Bemerkungen, wie kleine giftige Pfeile auf ihnabgeschossen – aber diesmal verletzte ihn kein einziger. Nachdem ihre erste Angriffswelle über ihn hinweg geflutet war, hatte er sich erhoben und mit ausdrucklosem Gesicht gesagt: „Wenn du mit deinem dummen Gezeter für den Moment fertig bist, dann können wir wohl ins Café gehen. Ich habe Hunger.“ Und ohne ein weiteres Wort hatte er sich auf den Weg gemacht. Empört, aber auch sprachlos war sie ihrem Mann mit grimmiger Miene gefolgt.
    Jetzt saßen sie da; schweigend in ihre eigenen Gedanken versunken. Madame Leroc hatte sich noch immer nicht von dem Schock erholt, dass ihr Mann es gewagt hatte, ihr in aller Öffentlichkeit zu widersprechen. Sie versuchte diese Ungeheuerlichkeit mit dem ansonsten eher unterwürfigen Wesen ihres Mannes in Einklang zu bringen, doch es gelang ihr nicht. Das stachelte ihre Wut noch mehr an und sie hätte ihm gerne – hier und jetzt – tüchtig die Leviten gelesen. Doch ein unbestimmtes Gefühl hielt sie davon ab. Denn zum ersten Mal in ihrer Ehe konnte sie nicht einschätzen, wie er darauf reagieren würde. Innerlich aufgebracht brütete sie vor sich hin, bis das fröhliche Geklapper von Geschirr an ihr Ohr drang. Sie warf einen Blick über die Schulter und was sie sah, erboste sie noch mehr. Wie es schien, war allen anderen Gästen, außer ihnen, der Tee bereits serviert worden. Ein Steward und zwei Stewardessen bedienten im vorderen Teil des Cafés. Sie ließen sich Zeit und plauderten freundlich mit den Besuchern, ohne zu bemerken, dass die Lerocs vor einem leeren Tisch saßen. Antoinettes Wut fand ein Ventil und ohne sich dessen bewusst zu sein, begann sie sich bei Yves über diese Schlampigkeit bitter zu beklagen. Sie war so sehr damit beschäftigt sich Luft zu machen, dass ihr nicht weiter auffiel, dass einige Leute an den Nebentischen aufmerksam wurden und den Kopf wandten. Im Gegensatz zu den Tischnachbarn bemerkte Yves das Gezeter seiner Frau kaum. Er überlegte fieberhaft, wie er es anstellen konnte, heimlich ein Geschenk für Amélie zu kaufen. Mit grüblerischem Gesichtsausdruck sah er durch Antoinette hindurch. Ihr Gekeife war wie ein Geräusch im Hintergrund – Worte, ohne Sinn und ohne Bedeutung.

Als endlich ein Steward an ihren Tisch trat, nahm Yves keine Notiz von ihm, denn er suchte immer noch einen Vorwand, um dem Souvenir-Shop einen Besuch abstatten zu können. Madame Leroc hingegen sah den Steward mit grimmigem Gesicht an. Doch die Worte, die sie ihm für die liderliche Art der Bedienung entgegen schleudern wollte, blieben ihr im Hals stecken.
    Das Gesicht des Stewards wirkte starr. Die extreme Blässe seiner Haut hob sich kaum vom Weiss der Uniformjacke ab. Seine dunklen Augen sahen leblos aus und erinnerten Antoinette mit einem Schauern an den Blick eines Toten. Seine Bewegungen waren steif und merkwürdig ungelenk. Antoinette konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Mann sich lange Zeit nicht bewegt hatte. Ohne Worte stellte er zwei Tassen, Teekanne und Zuckerdose auf den Tisch. Eine klamme Kälte, die unangenehm nach Eis und Salzwasser roch, ließ Antoinette angeekelt ein Stück zurückweichen. Dann, schweigsam wie er gekommen war, drehte er sich um und verschwand.
    Antoinette atmete erleichtert auf. Was für ein ekliger Kerl, dachte sie, während siefröstelnd die Schultern zusammen zog. Selbst die Luft hat er mit seiner Anwesenheit verpestet. „Igitt! Hat der gestunken“, sagte sie laut und riss damit Yves aus seinen Gedanken. Erstaunt bemerkte er, dass der Tee serviert worden war und während er mechanisch die Kanne ergriff, um einzuschenken, fragte er mit leicht gerunzelter Stirn: „Sagtest du etwas?“
    Madame Leroc warf ihrem Mann einen giftigen Blick zu und verzichtete beleidigt auf eine Antwort. Stattdessen rührte sie einen Löffel Zucker in ihren Tee und verzog angewidert das Gesicht. Der Tee sah trüb und äußerst unappetitlich aus; der braune Zucker

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