TITANIC-WORLD
irgendein ausgekochtes Schlitzohr Salzwasser statt Tee und matschigen Sand statt Zucker hatte servieren können, war mehr als besorgniserregend; sprach es doch deutlich von einer Lücke im Sicherheitssystem. Dass dieser, mit einem kranken Hirn ausgestattete Scherzkeks sich aber ausgerechnet diese französische Giftspritze als Opfer ausgesucht hatte, war eine Katastrophe. Der Zwischenfall hatte in Windeseile die Runde in der TITANIC-WORLD gemacht und Cecilia zweifelte keine Sekunde daran, dass er Morgen für Schlagzeilen in der Weltpresse sorgen würde.
Als der Chefsteward eine vor Empörung kochende Madame Leroc in Cecilias Büro geführt hatte, wusste sie schon, dass irgendetwas im Veranda Café vorgefallen war. Doch es dauerte gut zehn Minuten, bis sie den wahren Sachverhalt erfuhr. Denn jedesmal, wenn Steve Masterson ansetzte den Vorfall zu schildern, wurde er von Madame Leroc wutschnaubend unterbrochen. Allerdings beschwerte sich die Dame zunächst über die Kälte in den Räumen, die schlecht beleuchteten Artefakte und sämtliche Unfreundlichkeiten, die sie sich in diesem Land hatte gefallen lassen müssen. Zum guten Schluss beschimpfte sie den Chefsteward, der es gewagt hatte, sie ohne ihren Mann und obendrein gegen ihren Willen hierher geschleppt zu haben. Nachdem Cecilia diese unnötige, der Aufklärung wenig dienliche verbale Bombardierung überstanden hatte, änderte sie ihre Taktik. Sie forderte Madame höflich, aber sehr bestimmt auf, in der kleinen Konferenzecke ihres Büros Platz zu nehmen. Dann bat sie den Chefsteward, Monsieur Leroc zu suchen und in ihr Büro zu bringen. Mit einem mitleidigen Blick auf Cecilia, aber heilfroh dieser hagerenKneifzange entkommen zu können, hatte Steve fluchtartig den Raum verlassen. Als sie allein waren, schenkte sie Antoinette einen Cognac ein und ersuchte sie in befehlsgewohntem Ton, den Vorfall sachlich zu schildern. Erneute rollte zuerst eine zweite Angriffswelle über Cecilia hinweg. Diesmal waren es die schlampige Bedienung, die Unhöflichkeit des Kellners und die Inkompetenz des Chefstewards über die sich Madame bitter beklagte; erst dann kam sie zur Sache. Nach dem sie geendet hatte schwieg Cecilia einen Moment betroffen. Es fiel ihr schwer zu glauben, dass einer ihrer Angestellten sich einen so markaberen Scherz erlaubt haben sollte. Sie dachte an die unterschiedlichen Vorfälle bei den Cyber-Welten und die Schiffsglocke, die, wie von Geisterhand drei Mal geläutet hatte. Ihr fielen auch die beiden italienischen Mädchen ein, die, wie es schien, irgendetwas zu Tode erschreckt hatte. Sie hatte aber keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn Antoinette Leroc sah sie fordernd mit zusammen gekniffenen Augen an. Obwohl es Cecilia schwerfiel, verständnisvoll und mitfühlend zu reagieren, tat sie ihr Bestes. Sie versicherte Antoinette, dass der Schuldige ausfindig gemacht und zur Rede gestellt werden würde und sie ließ keinen Zweifel an den Konsequenzen. Sie bat um eine Personenbeschreibung, die Madame ihr nur äußerst zögerlich und wenig detailiert gab. Dabei konnte sich Cecilia des Eindrucks nicht erwehren, dass es der Dame bedeutend lieber gewesen wäre, das gesamte Personal, wie Schwerverbrecher bei einer Gegenüberstellung, aufmaschieren zu lassen. Doch dazu war Cecilia nicht bereit. So bedankte sie sich nur höflich für die Kooperation und bot gleichzeitig die Rückerstattung des Eintrittspreises zur Entschädigung an, als das Haustelefon klingelte. Es war Steve Masterson, der ihr schadenfroh mitteilte, dass Monsieur Leroc die Erlebniswelt unmittelbar nach dem Zwischenfall verlassen hätte – und zwar allein. Anscheinend hatte der arme geplagte Ehemann lieber das Weite gesucht, als weiterhin Zeuge des peinlichen Auftritts seiner Frau zu werden. Die Leute der Reisegruppe aus Paris, zu der auch die Lerocs zählten, hätten verschiedene Andeutungen gemacht, dass Madames zänkisches Wesen vielen den Aufenthalt bereits vergällt hatte. Bevor der Chefsteward auflegte entschuldigte er sich noch reumütig, dass er seine Mitteilung nicht persönlich überbracht habe. Zerknirscht erklärte er, dass er einen weiteren Anschiss nicht friedlich hätte hinnehmen können. Cecilia, die Madame Leroc auch am liebsten mit einem Tritt in den Hintern verabschiedet hätte, fühlte mit ihm. Deswegen bedankte sie sich nur für die Information und legte auf. Die Tatsache, dass ihr Mann bereits gegangen war, würde Madame bestimmt nicht glücklich machen und Cecilia seufzte
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