TITANIC-WORLD
herrschte Hochbetrieb, da wäre niemandem etwas aufgefallen. Aber, wie ich schon sagte – Madame hat so ein Spektakel veranstaltet, dass auch im Nachbarcafé alle Unterhaltungen erstarben und Gäste, wie Personal, stocksteif in ihren Bewegungen verharrten. Da wäre ein Steward, der eiligst den Raum verlässt, sofort aufgefallen.“
„Was ist mit den Türen, die an Deck führen?“
„Verschlossen. Aus Platzgründen. Der Fünf-Uhr-Tee ist ein Bombenerfolg und wenn die Türen abgeschlossen sind, können mehr Tische bewirtet werden. Das hat mir der Chefsteward erklärt und auch, dass nur er über einen Schlüssel verfügt, den er nach Feierabend zusammen mit seiner Stewarduniform im Spindt wegschließt.“
„Scheiße! Ein verkleideter Steward serviert Salzwasser und verschwindet so, wie er aufgetaucht ist – ungesehen. Klingt wie ein Schauermärchen.“
„Warum regst du dich auf, Jon“, warf Mike ein. „Wir haben doch die CD, da finden wir bestimmt einen Anhaltspunkt.“
Während Parker den Wagen startete und langsam vom Parkplatz rollte, erzählte er seinem Partner, was es mit der Überwachungs-CD auf sich hatte.
Freitag, 20. April 2012
Als Cecilia an diesem Morgen um kurz vor zehn den Konferenzraum betrat, stand Craig an einem der geöffneten Bullaugen und sah in Gedanken versunken hinaus aufs Wasser. Claire saß neben Lloyd Davenport, dem Marketing & Event Manager. Ihnen gegenüber saßen Joe Killingham und Amanda Wright, die Personalchefin. Als Cecilia am Ende des Tisches Platz nahm und den Anwesenden einen Gruß zunickte, öffnete sich noch einmal die Türe. Die beiden Chefstewards, Steve Masterson aus dem Veranda Café und sein Kollege, Keith Brown vom Rauchsalon traten ein und setzten sich nach einer kurzen Begrüßung gleichfalls hin. Vor ihnen auf dem großen Konferenztisch, der bis zu dreißig Leuten Platz bot, lagen sämtliche Tageszeitungen Englands. Wie Cecilia gestern bereits befürchtet hatte, verbreitete die Presse den Vorfall mit dem Salzwasser ausführlich im ganzen Land. Ihr am nächsten lag eine Ausgabe der Sun , die mit riesiger Schlagzeile verkündete: SALZWASSER STATT TEE – FRANZÖSIN WIRD OPFER EINES MORBIDEN SCHERZES! Daneben lag der Mirror , der nicht weniger marktschreierisch verkündete: MYSTERIÖSER STEWARD GIBT DER TITANIC-WORLD RÄTSEL AUF! Die Daily Mail schrieb etwas maßvoller: SELTSAMER ZWISCHENFALL IN DER TITANICWORLD und der Southampton Echo warf sogar die Frage auf: VON WEM WIRD DIE TITANIC-WORLD SABOTIERT?
Cecilia reichten die Schlagzeilen; die dazugehörigen Kommentare wollte sie nicht lesen. Wie jeden Morgen, so hatte sie auch heute via Internet bereits ihre Heimatzeitung, die Westdeutsche Zeitung , kurz überflogen und war hier gleichfalls auf einen kurzen Artikel bezüglich des gestrigen Vorfalls gestoßen. Im Gegensatz zu den englischen Zeitungen, schilderte die WZ den Zwischenfall eher sachlich und stellte nur am Ende die Frage, ob ein Angestellter für diesen geschmacklosen Scherz verantwortlich war oder ob Gegner der Erlebniswelt dahinter steckten. Obwohl Cecilia Düsseldorferin war, so verfolgte man in ihrer Heimatstadt die Geschehnisse rund um die TITANIC-WORLD mit weitaus weniger Enthusiasmus, als in den englischsprachigen Ländern. Die New York Times schlug da schon harschere Töne an; sie forderten die Southamptoner Polizei auf, den Schuldigen dingfest zu machen, bevor er das nächste Mal Zyankali oder eine ähnlich tödliche Chemikalie servieren würde. Craig hatte ihr das bei seinem frühmorgendlichen Anruf kurz erzählt, bevor er ihr mitteilte, dass er für zehn Uhr des heutigen Tages eine kurze Konferenz anberaumt hatte. Bei dem Telefonat hatte er darauf verzichtet, ihr den Grund seiner gestrigen Abwesenheit mitzuteilen, oder zu erklären, warum er auch telefonisch nicht zu erreichen gewesen war und Cecilia hatte nicht danach gefragt. Seit seinem letzten Heiratsantrag herrschte eine unausgesprochene Spannung zwischen ihnen, die an ihrer beider Nerven zerrte und die Zusammenarbeit unterschwellig belastete. Cecilia wusste, dass sie das Thema in der nächsten Zeit anschneiden musste, denn ein unbestimmtes Gefühl sagte ihr, dass ihr Schweigen zu einer Eskalation führen würde. Trotzdem scheute sie dieses Gespräch.
Das Klappen der Tür riss Cecilia aus ihren Gedanken und sie drehte sich um. Nacheinander traten die drei Chefstewards aus dem White Star Restaurant , dem Maiden Voyage und dem North Atlantic Inn ein und nahmen Platz. Dann kamen die
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