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der Wärterin es ihm den nächstfolgenden Tag in Sir Williams Hotel zu bringen, indem er ihr zugleich die Lektion einstudierte, welche sie bei dieser Gelegenheit hersagen sollte. In der Tat fand sich auch am andern Morgen die Amme mit dem Kinde in dem Hotel ein. Die erste Person, welche sie sah, war Sir William, der sie anhielt und fragte, wer sie wäre. Sie antwortete, sie hieße Mistreß Thompson, sie habe einen Bruder, der auf Lord Nelsons Schiffe diene und der Lord habe sich dazu verstanden, Pathe dieses kleinen Mädchens zu sein, welches sie auf dem Arm trüge und welches sie ihm brächte, um es ihm zu zeigen. Sir William zweifelte keinen Augenblick an der Wahrheit dieser Geschichte. Er nahm seinerseits das Kind auf den Arm, wünschte ihm alles mögliche Glück, und gab es dann seiner Amme zurück.
Nelson blieb anderthalb Tage bei uns, dann mußte er uns wieder verlassen. Diese zweite Trennung war noch schmerzlicher als die erste. Konnten wir hoffen, uns jemals wiederzusehen? Hatte dieses Kind, welches der Himmel uns gegeben, nicht den Schatz der himmlischen Güte für uns erschöpft? Wir waren übereingekommen, einander so zu schreiben, daß unsere Briefe ohne Gefahr in fremde Hände geraten könnte, das heißt so, daß der Inhalt nur für uns verständlich war. Diese geheimen Briefe machten jedoch die sozusagen offiziellen, welche ich von ihm erhielt, nicht wenigerhäufig. So verließ er zum Beispiel am 2. März auf dem »St. Georg« den Hafen von Portsmouth und am 3. schrieb er mir: »Meine teure Emma. – Mein Vorgesetzter hat mir die Ehre erzeigt, mich in die vorderste Schlachtlinie zu stellen und ich werde daher der Erste im Kampfe sein. Ich würde Ihnen noch mehr darüber sagen, wenn ich nicht fürchtete, Sie zu beunruhigen, denn ich kenne Ihre große Zärtlichkeit für mich. Der ›St. Georg‹ wird einen neuen Strahl des Ruhmes dem Rufe Englands beifügen, wenn Nelson am Leben bleibt, und wenn die allmächtige Vorsehung, die mich unaufhörlich in der Gefahr beschützt und in den Tagen der Schlacht mein Haupt gedeckt, mir beisteht und mich bis dahin aufrecht hält. Bewahren Sie mir stets Ihre Erinnerung, Sie und der vortreffliche Sir William. Mein letzter Gedanke gehört Ihnen beiden, die Sie mich lieben und achten. Ich beurteile Ihr Herz nach dem meinigen. Möge der große Gott des Weltalls Sie beschützen und segnen. Dies ist die innige Bitte Ihres treuen Freundes
Nelson .«
Man erlaube mir nun, eine Probe von unserer geheimen Korrespondenz zu geben. Man wird daraus ersehen, mit welcher Inbrunst dieser große Mann mich liebte. Je tiefer diese Liebe war, desto mehr glaube ich meine Entschuldigung darin zu finden. Er schrieb mir von den Dünen vor Boulogne durch Vermittelung eines sichern Freundes. »Fürchten Sie kein Weib in der ganzen Welt, teure Emma, denn jedes andere Weib ist mir gleichgültig. Ich kenne nur ein Wesen, welches Ihnen vielleicht einmal ähnlich werden kann. Ich bin überzeugt, daß Sie nie etwas tun werden, was die Liebe erkalten lassen kann, welche ich für Sie hege, und was mich betrifft, so würde ich lieber unter den grausamsten Qualen sterben, als Ihnen nur den mindesten Kummer zufügen. Küssen Sie unsere teure Horatia zehntausendmal von mir. Gestern kam das Gespräch auf das Impfen der Schutzpocken. Ein Herr behauptete, sein Kind, welches geimpft worden, sei mit einem an den wirklichen Blattern erkrankten Kinde in Berührung gekommen, ohne von dieser Krankheit angesteckt zu werden. Wenn sich dies wirklich so verhält, so ist dies der Triumph des Impfens. Das Kind hat zwei Tage lang ein wenig Fieber und nur eine kleine Entzündung am Arm gehabt, anstatt mit Pusteln bedeckt zu sein, wie das an den wirklichen Blattern erkrankte. Übrigens aber tun Sie, was Sie für gut finden.«
Ich sprach über diesen Brief, so wie über das medizinischeWunder, welches er verkündete, mit dem Doktor Rowlay. Zum Unglück aber war dieser ein erbitterter Gegner Jenners. Er erklärte sich entschieden dagegen, daß Horatia mit Kuhpocken geimpft würde, und da er gerade in diesem Augenblicke ein taugliches Subjekt hatte, so impfte er der armen Kleinen die wirklichen Blattern. Dennoch gelang die Operation ausgezeichnet gut und drei Wochen später war Horatia wieder vollkommen hergestellt. Ich mietete bei dieser Gelegenheit in Stone-Street ein möbliertes Haus für Mistreß Thompson, und alles ging seinen besten Gang. Hier habe ich ein Geständnis zu tun, und was es mich auch kosten möge, so werde
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