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auch war, doch sich selbst zum Trotz jeden Tag zwanzig bis fünfundzwanzig Guineen auf die Seite legte, obschon er vier Pferde im Stalle, zwei schöne Equipagen und drei oder vier Diener hielt.
Dreimal wöchentlich empfingen wir Gesellschaft. Die drei andern Abende fuhren wir spazieren oder ins Theater.
Unser Verhältnis besaß alle Reize der Sympathie ohne die Stürme der Liebe.
Am vierten Tage, nachdem ich die Erklärung mit Lord Greenville gehabt, erschien er bei mir wieder. Ich empfing ihn gerade so, als ob nichts zwischen uns vorgefallen wäre. Ich fühlte mich von ihm weder angezogen noch abgestoßen. Ich hatte ihm Bedingungen gestellt, ohne zu wünschen, daß er sie annähme. Ich hatte es mehr getan, um ihm gegenüber einen klar bestimmten Standpunkt einzunehmen, als weil ich von dem Wunsche beseelt gewesen wäre, wirklich Lady Greenville zu werden. Er näherte sich mir mehrmals und sprach leise mit mir, da er aber die Frage nicht mit dürren Worten anregte, so konnte er mir kein Wort entlocken,welches Bezug auf den Zustand seines Herzens gehabt hätte. Mochte Romney nun einsehen, daß Eifersucht von seiner Seite lächerlich gewesen wäre, oder mochte er mir vertrauen, mir, die ich bei ihm blieb, ohne etwas von ihm zu verlangen und ohne etwas von ihm zu empfangen, oder mochte er endlich unser Verhältnis, so wie ich selbst tat, als etwas betrachten, was für keinen von beiden Teilen verbindlich wäre, und was nicht länger dauern dürfe, als es uns beiden angenehm sein würde – kurz, er schien durch die Aufmerksamkeiten, die man mir bewies, niemals beunruhigt zu weiden.
Einmal hatte er zu mir gesagt: »Nicht wahr, darüber sind wir einverstanden, daß wir beide nicht so töricht sind, uns zu hintergehen? Ich bin als Liebender und als Maler doppelt glücklich, Sie zu besitzen; aber ich dränge mich durchaus nicht auf. Sie verstehen mich, nicht wahr? Ich werde wahrscheinlich nicht der erste sein, der unseres Verhältnisses überdrüssig wird; sollte dies jedoch geschehen, so würde ich es Ihnen sagen, überzeugt, daß Sie mir meine Freimütigkeit verzeihen, und daß mir gute Freunde bleiben würden. Von Ihrer Seite verlange ich dasselbe.«
Ich hatte ihm hierauf die Hand geboten und damit war alles gesagt. Ich war fest entschlossen, ihn von Lord Greenvilles Liebe zu mir zu unterrichten, sobald nämlich diese Liebe sich auf bestimmtere Weise kundgeben würde.
Um mir keinen Vorwurf zu machen zu haben, hatte ich mir dabei fest vorgenommen, von den Künsten der Koketterie in bezug auf Lord Greenville keinerlei Gebrauch zu machen.
Mit dem Instinkt des Weibes fühlte ich, daß ihm gegenüber gerade in dem Mangel an Koketterie meine hauptsächliche Macht bestünde und meinen Triumph über ihn sichern würde. Am nächstfolgenden Tage, als Romney sich zu Lady Craven, welche später die bekannte Marquise von Anspach ward, begeben hatte, weil sie ihm zu ihrem Porträt sitzen wollte, meldete der Diener Lord Greenville. Ich antwortete, daß ich bereit sei, ihn zu empfangen. Sehr bleich und sehr aufgeregt trat er ein. Ich lud ihn lächelnd durch eine Gebärde ein, neben mir Platz zu nehmen. »Teure Emma,« sagte er zu mir, »es ist mir unmöglich noch länger in der Ungewißheit zu verharren, in welcher ich mich befinde.«
»Ungewißheit?« wiederholte ich. »Ich sollte im Gegenteile meinen, daß es in der Welt keine bestimmtere Situation geben könnte, als die, welche ich Ihnen bereitet.« – »Wenn ich freiwäre, so würde ich nicht in Ungewißheit leben. Beinahe hätten Sie mich nicht wieder gesehen.« – »Wieso? Sollten Sie mit dem Gedanken umgegangen sein, sich das Leben zu nehmen? Warten Sie dann wenigstens bis zum Monat Oktober – dies ist die Zeit der Selbstmorde.« – »Nein, ich will mich in Ihren Augen nicht so verdient oder lächerlich machen. Hören Sie die einfache Wahrheit. Sie wissen, oder Sie wissen nicht, daß ich einen sehr reichen Onkel habe. Er ist mein Onkel, weil er in erster Ehe mit einer Schwester meiner Mutter vermählt gewesen ist. Er ist von Geburt Schotte und Milchbruder des Königs Georg des Dritten, ein alter Gelehrter, Archäolog, Geolog und was weiß ich sonst noch alles. Er heißt Sir William Hamilton, und ich erwarte von ihm mein ganzes Vermögen, denn an väterlichem Erbteil besitze ich nichts oder doch nur sehr wenig.« – »Aber, Mylord, wovon bestreiten Sie dann Ihre Ausgaben?« – »Von dem Gehalte des Amtes, welches ich im Ministerium bekleide. Sobald aber das
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