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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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ganze Haus hielt sie blitzblank. Und sie ließ sich von Hardy Stoffe mitbringen, aus denen sie Kissen nähte und neue Tischdecken.
    Eines Morgens hörte Lea nach einer schlaflosen Nacht das meckernde Jammern eines Zickleins. Eine der Burenziegen, die Joris wegen des schmackhaften Fleisches hielt, hatte am Vortag Nachwuchs bekommen. Anders als bei Schafen war bei den Ziegen das Lammen nicht auf das Frühjahr begrenzt. Lea fragte sich, ob das Jungtier verletzt oder von seiner Mutter verstoßen worden war. Da nach der schrecklichen Nacht zumindest der Tag ein guter werden sollte, sprang Lea entschlossen aus dem Bett.
    Draußen breitete sich das erste fahle Morgenlicht aus. Verschwommen sah Lea die kleine Herde, die nahe am Haus weidete. Wieder drangen klagende Laute zu ihr herüber. Das Zicklein musste ganz in der Nähe sein. Lea ließ die Absperrung hinter sich und schlich vorsichtig an die Herde heran. Als die Tiere ihr Näherkommen bemerkten, begannen sie davonzulaufen. Die Mutterziegen trieben ihre Heranwachsenden vor sich her. Es war erstaunlich, wie schnell sie Abstand zwischen sich und Lea brachten. Sie fluchte leise. Der Nebel schien die Tiere förmlich aufzusaugen. Wie sollte sie in dem Grau das verwaiste oder verletzte Tier ausfindig machen? Es hatte keinen Sinn!
    Enttäuscht setzte Lea sich schließlich auf einen Stein und wartete auf das Morgenlicht. Ganz plötzlich stiegen die Schleier auf, und die Sonne tauchte alles in warmes Licht.
    Jetzt konnte Lea auch wieder einzelne Burenziegen ausmachen. An ihr Aussehen, den großen Kopf und die kinnlangen Hängeohren, hatte sie sich erst gewöhnen müssen. Die Ziegen standen dicht aneinandergedrängt und Lea sah und hörte das Kleine ganz deutlich. Es lief auf wackeligen Beinen von einem Muttertier zum nächsten in der Hoffnung auf Milch. Alle Bemühungen aber brachten ihm nichts als Tritte ein. Lea floss vor Mitleid das Herz über.
    Sie überlegte sich gerade eine Taktik, um näher an das Kleine heranzukommen, als ein Rascheln im Unterholz und eine kaum wahrnehmbare Bewegung ihre Aufmerksamkeit ablenkte. Im Rücken der Tiere sah sie eine schemenhafte Gestalt, die sich langsam an die Herde heranschlich. Lea starrte ungläubig auf einen riesigen Wolf. Mit angelegten Ohren schlich er näher. Der schmutzig gelbe Pelz verschmolz fast mit den Farben seiner Umgebung. Der Präriewolf hatte es auf das mutterlose Zicklein abgesehen, das war Lea klar.
    Die Ziegen schienen nichts von der Gefahr zu bemerken, in der sie schwebten. Leas Herz begann wie wild zu schlagen. Was sollte sie tun? Es war gefährlich, sich mit einem Wolf anzulegen, doch sie konnte ihm die Beute nicht einfach kampflos überlassen. Lea hatte sich entschieden. Sie sprang auf und rannte wild gestikulierend auf den Räuber zu.
    Die Herde wurde unruhig. Sie hielten Abstand zu Lea, schienen jetzt aber den Geruch des Angreifers wahrgenommen zu haben. Die Ziegen drängten gegeneinander, verunsichert, welche Richtung nun einzuschlagen war. Der Wolf bemerkte die Unruhe und änderte seine Taktik. Er versteckt sich nun nicht mehr, sondern kam mit kraftvollen Sprüngen näher. Der Abstand verringerte sich erschreckend schnell. Lea bückte sich, nahm einen Stein auf und warf ihn in seine Richtung. Sie triumphierte, als der Wolf einen Herzschlag innehielt. Er knurrte wütend. Lea griff nach einem weiteren Stein und traf das Tier am Rücken. Jetzt waren die wilden Augen ausschließlich auf sie gerichtet. Der Wolf fletschte die Zähne, verharrte kurz und hechtete dann auf Lea zu.
    Sie keuchte erschrocken auf, vermochte jedoch nicht, sich zu rühren. Reglos beobachtete sie das Heransprinten. Schon glaubte sie den hechelnden Atem des Wolfes riechen zu können. Das Tier würde sie anfallen, vielleicht sogar töten. Todesangst griff nach ihr. Lea begann zu schreien.
    Genau in diesem Moment fiel ein Schuss. Die wild glänzenden Augen des Tieres brachen und der Wolf sank, im Sprung getroffen, zu Boden.
    »Verdammt! Was hast du hier zu suchen?« Joris ließ die Waffe sinken und rannte auf Lea zu.
    Ungläubig starrte Lea auf den toten Wolf zu ihren Füßen. Dann erst nahmen sie Joris und die Waffe in seinen Händen wahr.
    »Das Zicklein. Ich wollte es retten.«
    »Kein Tier ist die Gefahr wert, in die du dich gebracht hast. Es hätte dich das Leben kosten können. Mein Gott, Lea, hast du denn nichts gelernt? Dies ist nicht deine kleine beschauliche Insel. Die Prärie ist wild und unberechenbar. Hier gibt es nicht nur Schlangen,

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