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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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unser letztes Geld gelassen haben.«
    »Aber man sagt doch, dass die Wolle der Heidschnucken von schlechter Qualität ist und nur an Hutmacher verkauft werden kann.« Lea erinnerte sich an die wenigen Schafe auf der Insel und deren grobe kurzfaserige Wolle.
    »Richtig.« Joris war in seinem Element. Er schien den Ärger über ihre Rückkehr für einen Moment vergessen zu haben. »Deshalb habe ich auch zugegriffen, als eine Kreuzung aus Heidschnucken und Merinoschafen zum Verkauf kam. Die Einkreuzung hat die Wollqualität erheblich verbessert. Geschoren wird im Juni und im September. Arne und ich können die Arbeit auf der Farm ganz gut alleine bewältigen. Allerdings gelingt das nur, wenn mein verehrter Herr Bruder auch an Ort und Stelle ist.« Sein Gesicht verfinsterte sich schlagartig. Lea sah, wie es in Joris arbeitete. Mit einer heftigen Bewegung stellte er sein Glas ab. Gerade hatte er noch mit ihr gelacht, doch jetzt war da wieder dieser eisige Ausdruck. Leas Magen zog sich zusammen.
    »Ich brauche Arne auf der Farm, doch du vertreibst ihn.«
    Leas Gesicht verfärbte sich. Ihre Augen fochten einen Kampf aus. Schließlich stand sie auf. »Ich sollte besser schlafen gehen.«
    Als Lea die Tür hinter sich schloss, hörte sie Joris fluchen.
    Sie setzte sich schwer atmend aufs Bett und versuchte ruhiger zu werden. Sie würde bleiben, was auch immer Joris davon hielt! Und sie würde ihm zeigen, dass es sehr wohl einen Platz für sie auf der Farm gab.
    Später, als Lea zwischen den kühlen Laken lag, versuchte sie nicht mehr an den Streit zu denken. Die Ereignisse des Tages vermengten sich in ihrem Kopf zu einem Karussell aus Bildern. Wie anders und fremd es hier war! Die Prärie so endlos, doch das Leben auf der Farm ähnlich dem auf einer Insel. Eine kleine Welt, jenseits der großen Städte, ihrer Unruhe und Rastlosigkeit. Das Haus, die Schafe auf den grünen Weiden, all das strahlte einen tiefen Frieden aus.
    Frieden! Lea seufzte verzweifelt. Wenn dieser Friede doch auch zwischen ihr und Joris herrschen könnte!

4
    A ls Lea am nächsten Morgen erwachte, war Joris schon fort. Sie kochte sich einen Tee, aß etwas und ging dann nach draußen, um die Umgebung zu erkunden. Sie sah Grasland mit verstreuten Bäumen und Büschen. In einiger Entfernung lag ein kleines Wäldchen, zu dem ein schmaler Pfad führte.
    Die große Weidefläche war in Koppeln aufgeteilt. Lea hörte Schafe blöken und sah im Sonnenlicht die hellen Flecken vor dem satten Grün. In der Nähe des Hauses befanden sich die Stallungen, ein Lagerschuppen und eine Schurhütte. In den Ställen waren Kühe, einige Schweine und Hühner untergebracht. In einiger Entfernung sah Lea das kleine Blockhaus, in dem jetzt Toni, der Mühlenbauer, lebte. Sie beschloss, ihm einen Besuch abzustatten. Dieser Mensch kannte sie nicht und so würde sie sich nicht verstellen müssen.
    Von Weitem schon sah sie einen jungen Mann, der einen Holzstamm bearbeitete. Er strahlte eine solide Rechtschaffenheit aus. Toni war groß und breitschultrig, seine Kleidung ländlich, die eines Farmers. Bedächtig arbeitete er und nahm sie in seinem Eifer kaum wahr.
    »Guten Morgen!«
    Der Handwerker zuckte zusammen, blickte auf und zog dann seinen Hut. Über sein rundes Gesicht lief ein Strahlen.
    »Oh. Sie müssen die junge Frau von Arne sein. Joris hat von Ihnen erzählt.«
    »Richtig. Wir kennen uns noch nicht. Ich bin Lea.« Sie streckte ihm die Hand entgegen.
    »Toni. Ich versuche mich hier an der Vorbereitung des Baumaterials für eine Mühle.« Er wies auf Holz und Werkzeug, die auf dem Boden lagen. »Es gibt kein Sägewerk in der Nähe und so müssen die Stämme der Eichen, die Joris und ich gefällt haben, von Hand bearbeitet werden. Es ist eine echte Plackerei. Einige Wochen lang haben mir vier Handwerker aus Quincy geholfen. Den Rest muss ich jetzt wohl allein schaffen.«
    Er wischte sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn und deutete dann auf die Mühlsteine. »Die hat Joris aus Frankreich einführen lassen. Sie wurden mit dem Schiff nach New Orleans gebracht und dann den Mississippi hinauf. Fünf Paar Ochsen hat es gebraucht, um schließlich den Wagen zu ziehen, der die Mühlsteine bis hierher gebracht hat. Alle Siedler waren auf den Beinen, als der alte Pit mit der schweren Last vorfuhr. Es war ein halbes Volksfest!«
    Stolz führte Toni sie herum. Unter einem Überstand lagen schon große Mühlenteile. Achsenrad, Flügelwelle, Zahnräder, Getriebeteile – Lea schwirrte

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