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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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Erleichterung oder Zufriedenheit suchte. Sie fand nichts von alledem. Es war, als ob ihre Worte ihn nicht erreicht hätten. Joris sah auf ihre streichelnden Hände. Ein Schauer lief Lea über den Rücken, als sie die Sehnsucht in seinen Augen erkannte. Für einen winzigen Moment wünschte sie sich, dem nachgeben zu können, wünschte sich, dass es seine Haut sei, die sie streichelte, sein Haar, über das ihre Hände glitten.
    Die heftigen Empfindungen verunsicherten sie tief. Lea versuchte die Gedanken zu ordnen, die ihr durch den Kopf gingen. Was hatte dieser Mann an sich, dass sie so auf ihn reagierte? Mehr und mehr fühlte sie sich zu ihm hingezogen, ohne sagen zu können, warum. Wie war das möglich? Sie liebte doch nur Immo. Nach ihm sehnte sie sich schmerzlich. Sie waren sich immer ohne Worte nahe gewesen. Lea beschwor Erinnerungen an verträumte Sommertage auf der Insel herauf. Stunden, in denen das wirkliche Leben fern schien und ihre gemeinsamen Träume real, im Hintergrund das Rauschen der Wellen und das Brausen des Windes, der den Geruch der See zu ihnen trug.
    Lea seufzte tief auf. Sie war nicht mehr auf Wangerooge. Die gemeinsamen Träume lagen weit hinter ihr. Sie liebte Immo, würde ihn immer lieben und doch wünschte sie sich in diesem Augenblick nichts sehnlicher, als dass Joris sie in seine Arme nähme. Sie ließ ihren Blick über ihn streifen, über das dichte lockige Haar, den vollen Mund und das kräftige Kinn. Lea glaubte, niemals zuvor einen besser aussehenden Mann getroffen zu haben.
    »Verdammt, Lea, was geschieht hier eigentlich?« Joris’ Stimme klang wütend. Lea wusste, wem diese Wut galt. Er schlug mit der Faust gegen das Holz der Wand.
    Dies ängstigte das Zicklein. Sein Meckern brachte beide in die Realität zurück. Lea versuchte das Tier zu beruhigen, während Joris sich abrupt abwandte.
    »Ich sollte wohl besser verschwinden!«
    Nach diesen Worten verließ er fast fluchtartig den Stall.

6
    D ie ersten heißen Tage kamen und schon am frühen Morgen war die Luft drückend. Lea spürte schmerzhaft ihren Rücken, als sie sich hinunterbeugte, um ein nasses Kleidungsstück aus der Wanne zu heben. Sie hatte ihre Kleider gewaschen und für die Bettwäsche neues Wasser auf dem Herd zum Kochen gebracht. Sie schüttete es in den Waschbottich, tauchte die Arme in die Seifenlauge und fing an zu schrubben. Beim zweiten Gang tunkte sie die gereinigte Bettwäsche in sauberes Wasser und rührte die Wäsche mit einem Holzstiel, um sie zu spülen.
    Lea blickte auf die feuerrote Haut und die vielen kleinen Wunden, die sie sich auf dem Waschbrett zugezogen hatte. Seufzend wrang sie die letzten Wäschestücke aus und legte sie in den Korb zu ihrer Kleidung. Dann stolperte sie zu der Leine, die zwischen zwei Bäumen gespannt war. Zum Schutz gegen die Sonne trug sie einen großen Strohhut, den Hardy ihr geschenkt hatte.
    Als schließlich die helle Pracht im Wind flatterte, atmete Lea erleichtert auf. Geschafft! Es war genug gewesen für heute Morgen. Sie hatte sich eine kleine Pause verdient.
    Lea kletterte unter der Absperrung durch, die das Weideland von der Farm trennte, und wanderte dem kleinen Wäldchen zu. Seit einigen Tagen war dieser Ort ihr Lieblingsplatz. Bewusst nahm sie das weiche Nachgeben des Bodens unter ihren Füßen wahr. Die Erde war fruchtbar und reif. Sie mochte den Geruch nach Sommer und Leben. Das Gras auf den Weiden wogte im Wind. Lea blickte zum Himmel und beobachtete einen Greifvogel, der dort seine Kreise zog. Sie blieb im Schatten einer großen Birke stehen und atmete tief durch. Zwischen den Bäumen sah sie die mit Blumen übersäte Wiese. Wie schön es hier war!
    Langsam ließ sich Lea auf einen Baumstumpf sinken. Die Arme um die angezogenen Beine gelegt, einen Grashalm zwischen Daumen und Zeigefinger drehend, genoss sie die wohltuende Ruhe. Das Bienengesumm und der Blumenduft bezauberten sie. Lea blickte zum Himmel hinauf, dessen Unendlichkeit sie an das Meer erinnerte.
    Das Meer! Sie seufzte bei der Erinnerung daran. Trotz aller Schönheit hier an diesem Ort ging es ihr nicht aus dem Kopf. Lea schloss die Augen und träumte davon, mit nackten Füßen über den Strand zu laufen. Den Wind in den Haaren zu spüren, das Wasser an den Füßen.
    Erinnerungen stiegen in ihr auf. Ein Gesicht, eine Stimme. Immo! Sie vermisste ihn. Sein Lächeln, den warmen Druck seiner Finger, das Gefühl, alles mit ihm teilen zu können. Ob er immer noch so verzweifelt über die Trennung von

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