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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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wurde stärker und trieb den Niederschlag in grauen Schleiern vor sich her. Er presste das Gras auf den Boden und peitschte die Bäume.
    Gemeinsam standen sie da und beobachteten das Schauspiel. Lea war sich Joris’ Nähe bewusst. Sie zündete zwei Kerzen an, hatte aber Mühe, ihre Hände ruhig zu halten. Ein Blick in Joris’ Gesicht verriet ihr, dass er wütend war. Lea zuckte zusammen. Auf wen? Auf sie? Aber warum? Sie griff seufzend nach dem Korb mit den Möhren und einem Messer. Lea setzte sich und begann mit gesenktem Kopf das Gemüse zu bearbeiten.
    Lea beobachtete, wie Joris aus dem Zimmer ging. Das Plätschern von Wasser drang zu ihr herüber. Dann betrat Joris, angetan mit einem frischen Hemd, wieder den Raum. Um die Hüften trug er einen Lederhalfter, in dem seine Waffe steckte. Seine Augen verrieten nichts, doch Lea spürte seine Unruhe. Er sah sie unverwandt an, als suche er Antworten auf unbekannte Fragen. Schnell wandte sie den Blick ab, warf mit einer übertriebenen Geste die fertigen Möhren in einen Topf und beugte sich tief über ihre Arbeit. Einige Haarsträhnen hatten sich gelöst und fielen wie ein Vorhang über ihr Gesicht.
    Sie tastete nach der nächsten Möhre, als plötzlich ein rasselnder Laut an ihr Ohr drang. Lea drehte den Kopf ruckartig in die Richtung und riss den Mund zu einem Schrei auf, der nicht kam. Die Möhre fiel ihr aus der Hand und landete polternd auf dem Boden. Das Blut in ihren Ohren begann zu rauschen. Eine Schlange streckte sich ihr zischelnd aus dem Korb entgegen. Lea keuchte schwer. Alles um sie herum wurde unscharf. Sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe. Es war totenstill.
    »Beweg dich nicht.«
    Sie blieb regungslos sitzen, wagte nur, die Augen in seine Richtung zu drehen. Joris hatte seine Waffe gezogen und zielte auf die Schlange. Und dann ging alles sehr schnell. Lea sah eine Flamme, hörte einen Schuss und ein Zischen, das sofort erstarb. Der Korb fiel zu Boden.
    Lea schrie auf. Sie sah, wie Joris näher trat. Aus dem Lauf seiner Waffe stieg eine Rauchfahne auf. Er nahm ein dünnes Holzscheit auf und stocherte damit in dem Möhrenkorb herum. Nichts rührte sich. Dann griff er mit der Hand hinein und hob mit einem triumphierenden Laut die Schlange hoch.
    Das Tier hatte schuppige braune Haut und war gefleckt wie ein Raubtier. Am Schwanzende schoben sich schalenartig Hornschichten ineinander. Der Kopf fehlte, eine schwarze Flüssigkeit tropfte an seiner Stelle auf den Boden.
    »Eine Klapperschlange!«
    Der lange Körper des Tieres glich einem dicken geflochtenen Seil. Er pendelte, von Joris in die Höhe gehalten, hin und her.
    Lea holte tief Atem und versuchte sich zu beruhigen. Ihr Kiefer schmerzte, so fest biss sie die Zähne aufeinander. Das Tier war tot. Die Schlange konnte ihr nichts mehr anhaben.
    »Bring sie weg«, war das Einzige, was Lea gepresst hervorbringen konnte.
    »Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Das Fleisch lässt sich gut braten und ist genießbar.«
    »Ich glaube nicht … « Die ausgestandene Angst ließ sie zittern. »Danke, dass du mir das Leben gerettet hast.«
    Joris warf das tote Tier zu dem Gemüseabfall. »Es war nur eine Prärieklapperschlange. Ihr Biss ist nicht tödlich, wenn man das Gift früh genug aussaugt.«
    »Trotzdem … «
    Lea stützte die Arme auf den Tisch und bedeckte das Gesicht mit den Händen.
    »Es ist vorbei.«
    Joris’ Stimme klang sanft. Er setzte sich dicht neben sie und legte beruhigend einen Arm um sie. Lea nahm die Hände vom Gesicht und lehnte sich seufzend gegen ihn. Wie lange war es her, dass jemand sie gehalten und getröstet hatte? Einen Moment nur wollte sie sich fallenlassen und das wunderbare Gefühl der Geborgenheit genießen. Sie hielt die Augen geschlossen. Ihr Kopf ruhte an Joris’ Schulter. Sie spürte, wie sein Herz unruhig schlug. Fast unbewusst schlang sie die Arme fest um seinen Körper.
    »Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Alles ist gut.«
    Widerstrebend öffnete Lea die Augen, löste vorsichtig ihre Umarmung und rückte von ihm ab.
    »Nichts ist gut.«
    Die Maskerade schnürte Lea die Luft ab. Jetzt, in diesem Augenblick der Nähe, war sie nicht länger zu ertragen. Lea sehnte sich danach, sich davon zu befreien, wie ein Gefangener in einer dunklen Gruft, der danach lechzt, wieder Sonne auf dem Gesicht zu spüren.
    »Joris, ich muss dir etwas sagen. Ich bin nicht die Lea, die du kennst.«
    »Ich weiß, dass du dich verändert hast.«
    »Es ist mehr als das.« Sie versuchte die

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