Tochter der Insel - Historischer Roman
Stand der Felder und die Schafzucht.
»Magst du zum Essen bleiben? Es gibt Bohnen mit Speck«, erkundigte sich Lea.
»Nein, ich muss gleich weiter. Will es noch bis ins nächste Dorf schaffen. Hab Unterröcke im Wagen und ein Korsett, auf das eines der Weibsbilder schon sehnsüchtig wartet.«
»Ein Korsett?« Lea machte große Augen.
»Ja. Du weißt schon, so aus Fischbeinstäben und festem Stoff. Das schnüren sich seit Jahren die feineren Damen um die Taille. Hab eine ganze Weile suchen müssen, bis ich das Richtige gefunden hab.«
»Wer kann denn hier in der Prärie mit einem Korsett etwas anfangen?«
»Meine Kundin ist eitel. Sie hat im Laufe der Jahre etwas an Form gewonnen.« Hardys Hände modellierten einen üppigen Frauenkörper. »Auf der Hochzeit ihrer Tochter möchte die Verehrteste rank und schlank aussehen, schlanker jedenfalls als die Mutter des Bräutigams. Korsetts sollen, was das angeht, Wunder wirken. Ich habe auch ein Rosenparfüm für die Lady eingekauft und fein verzierte Nachthemden.«
Der alte Ochsentreiber grinste von einem Ohr zum anderen und beugte sich verschwörerisch zu Joris vor. »Vielleicht will sie ihrem Alten noch mal so richtig Appetit machen. Das Einheizen scheint in Mode zu kommen. Habe sogar für Bills Laden Spitzenunterwäsche mitgebracht.«
Die beiden Männer lachten, während Lea missbilligend mit der Zunge schnalzte.
Dann wurde Joris unvermittelt ernst. »Wie geht es Bills Frau?«
Hardy verzog das Gesicht. »Nicht so gut, wie mir scheinen will. Es mag ja ein Segen Gottes sein, dass sie in ihrem Alter noch ein Kind haben soll, doch diesen Segen muss Engelke sich hart erarbeiten. Hab gehört, dass sie schon seit Wochen mit Schmerzen im Bett liegt. Es geht aufs Letzte mit ihr. Die Hebamme schleicht mit besorgtem Gesicht um das Haus wie eine Katze um den heißen Brei.«
»Hat Bill nach einem Arzt schicken lassen? Die alte Uda kann ja so allerhand, aber in diesem Fall … «
»Paul ist nach Quincy geritten, um Doktor Faber zu holen. Aber du kennst ja die Trägheit dieses Heilkünstlers. Einen Ritt durch die Prärie unternimmt der Kerl doch nur im äußersten Notfall. Außerdem bringt ihm die Sache zu wenig ein. Der Bastard kann nur rennen, wenn hohe Herrschaften nach ihm schreien und ein gefüllter Geldbeutel winkt. Hat Bill erst mal vertrösten lassen.«
»Dieser verdammte Hundesohn. Am liebsten würde ich ihn mir vorknöpfen. Aber es ist sicherlich sinnvoller, wenn ich nach dem Unwetter ins Dorf reite. Meine Kenntnisse reichen ja nur von Ochs bis Pferd, aber vielleicht kann ich doch helfen.«
»Zumindest würde es alle erleichtern. Bill kann kaum ertragen, was Engelke durchmachen muss, und sorgt sich ohne Ende.«
Lea hatte nicht gewusst, dass Bill und seine Frau Nachwuchs erwarteten. Sie war seit ihrer Ankunft nicht mehr im Dorf gewesen. Die Angst vor den Fragen, die man ihr stellen könnte, hatte sie zurückgehalten und auch die Befürchtung, der Krämer würde wieder auf die Zeichnungen zu sprechen kommen.
Hardy schien ihre Gedanken erraten zu haben. »Lea, die Leute wundern sich darüber, dass du dich hier auf der Farm verkriechst. Ich habe sie über dich reden hören. Dinge, die ich kaum glauben kann. Tessa hat mich gefragt, ob du jetzt statt der Männer im Dorf die Schafe oder den neuen Mühlenbauern verführen würdest.«
Lea sog scharf die Luft ein. »Wie kommt sie dazu, so etwas zu behaupten?«
»Tessa sagt, du hättest ihrem Liebsten schöne Augen gemacht.«
»Ich habe nicht … «
Joris legte ihr eine Hand auf den Arm. »Du brauchst es gar nicht erst zu leugnen, Lea. Ich weiß, dass du Cord nur umgarnt hast, um Arne eifersüchtig zu machen. Aber es hat ihn auch nicht davon abgehalten, der Farm den Rücken zu kehren.«
»Jetzt verstehe ich. Deshalb hat das Mädchen das halbe Dorf gegen sich«, sagte Hardy.
Joris nickte. »Alle hatten sich schon auf eine große Hochzeit gefreut – und dann kam Lea mit ihren dunklen Augen und dem feuerroten Kleid und verwandelte diesen Mann in einen Kindskopf.« Er sagte es leichthin, doch Lea sah, dass die Erinnerung daran ihm wehtat.
Sie wollte ihn unterbrechen, doch Joris hob die Hand. »Cord ist später zu mir gekommen und hat mir alles haarklein erzählt. Tessa kann ihm das Techtelmechtel nicht verzeihen. Ich habe dem Burschen geraten, noch einmal in aller Ruhe mit ihr zu sprechen, doch der Kerl hat den Kopf in den Sand gesteckt und ist weggelaufen. Soviel ich weiß, arbeitet er als Feuermann auf einem der
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