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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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richtigen Worte zu finden, doch es wollte ihr nicht gelingen, Klarheit in ihre Gedanken zu bringen. Sie stöhnte leise. »Ich wusste nicht, dass es mir so schwerfallen würde, dich zu belügen. Ich habe gedacht, ich könnte es. Zumindest eine Zeit lang. Ich habe geglaubt, es wäre kein großer Betrug. Doch jetzt ist alles anders. Du und ich … «
    »Was ist mit uns?«
    Im Zimmer wurde es ganz still. Nur der Wind war zu hören, der am Fenster rüttelte. Ohne es wirklich wahrzunehmen, schaute Lea auf das glänzende Gras im Regen. Ein nasses Schaf tauchte aus dem Halbdunkel auf. Auf den Wegen hatten sich Pfützen gebildet. Die Luft war voll von Laub, kleinen Ästen und Zweigen, die der heftige Wind von den Bäumen gefegt hatte. Sein Seufzen klang zu ihnen herüber, dann wurde es wieder ruhig.
    Die Stille um sie herum war wie der angehaltene Atem vor dem Sturm. Joris umfasste ihre Schultern mit beiden Händen. Lea wagte nicht, sich zu bewegen. Joris’ rechte Hand berührte ihre Wange und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Dann hob er ihr Kinn an. Lea konnte ihm nicht in die Augen sehen. Sie schlang ohne ein Wort erneut die Arme um ihn. Lea spürte Joris’ Kinn an ihrer Wange, sein Atem strich leicht über ihre Haut und dann berührten seine Lippen sanft ihren Mund. Es fühlte sich gut an. Joris versteifte sich für einen Moment und löste sich kurz von ihr. Dann entrang sich ihm ein tiefer Seufzer. Er küsste sie wieder, diesmal lange und leidenschaftlich. Lea ließ es geschehen.
    Ich sollte das nicht tun. Nicht, bevor Joris die Wahrheit kennt, dachte sie, doch seine Nähe machte sie hilflos.
    »Lea, ich habe das nicht gewollt, aber ich liebe dich.«
    Lea hatte sich unzählige Male gefragt, was sie wohl fühlen und was sie sagen würde, wenn ein Augenblick wie dieser käme. Wie oft hatte sie im Traum solch einen Moment herbeigesehnt. Jetzt war dieser Moment gekommen. Aber alles war anders. Sie spürte einen Kloß in der Kehle. Es wollte ihr nicht gelingen zu antworten. Zu schnell war alles gegangen, zu widersprüchlich ihre Gefühle. Dieser Mann liebte sie! War es nicht das, was ihr gefehlt hatte, worauf sie immer gewartet hatte. Sie würde nie mehr allein, nie mehr einsam sein!
    Eine kurze, blitzartige Erinnerung an Immo überkam sie. Lea drängte den Gedanken zurück. Sie konnte nicht ewig einem Traum nachjagen. Joris war hier. Er hielt sie im Arm und war ihr so nah wie das Brausen des Windes, das zu ihr herüberdrang.
    Lea presste sich enger an Joris und spürte, dass er ihr Haar küsste, dann ihre Augen, ihren Mund. Lust und Glück ließen sie alles um sich herum vergessen und sie erlaubte sich die Hingabe an diese neue Liebe, an das Entzücken.
    Als sie daraus erwachte, die Mattigkeit und Wärme ihres Körpers wieder bewusst wahrnahm, sah sie ihn an. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es dreht sich alles in meinem Kopf. Ich glaube, ich liebe dich auch.«
    Joris seufzte tief auf und sagte verzweifelt: »Ich habe versucht mich gegen diese Gefühle zu wehren. Lea, es bringt mich fast um, dass du die Frau meines Bruders bist. Ich stehe tief in seiner Schuld. Er hat mich aus dem Gefängnis geholt und halb tot auf ein Schiff nach Amerika gebracht. Ich kann ihn nicht betrügen, doch das wäre es, was wir tun würden!«
    »Nein!« Sie umfasste seine Hände. »Höre mir zu, Joris. Es ist alles ganz anders. Ich bin nicht … «
    Ein Bersten zerschnitt die Stille. Der Bann war gebrochen. Sie glitten auseinander. Lea blickte mit weit aufgerissenen Augen nach draußen. Ein gleißender Blitz ließ grell die Umgebung aufleuchten. Auf einen kurzen Moment der Stille folgte ein so heftiges Donnern, dass Lea sich die Ohren zuhielt. Eine Windböe fegte über die Bäume hinweg, fuhr durch den Schornstein ins Haus und wirbelte Kohlestücke auf. Regen rauschte herunter. Im Haus war es stockfinster. Nur die Kerzen spendeten ein karges Licht.
    »Hab keine Angst. Es ist nur ein Sommergewitter. Du weißt ja, wie schnell sie kommen und auch wieder gehen«, beruhigte Joris sie.
    Lea nickte gedankenverloren. Was wusste sie von Sommergewittern in der Prärie?
    Blitze zuckten wieder über den dunklen Himmel und der Donner dröhnte so laut, dass Lea fast das heftige Klopfen an der Tür nicht wahrgenommen hätte. Joris warf Lea einen langen, bedauernden Blick zu.
    Begleitet von einem Schwall Kälte betrat Hardy den Raum. Regen troff von seiner Hutkrempe.
    »Tag auch.« Er riss die Kopfbedeckung vom Haupt und deutete eine Verbeugung in

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