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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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aushältst. All diese Geldsäcke, einer wahrscheinlich hochmütiger als der andere. Und dann die Hungerleider, die nur darin herumblättern. Wie viele Körbe holst du dir so an einem Tag?«
    »Nicht so viele, wie du vielleicht glaubst. So mancher Reiche kauft ein Exemplar, ist begeistert und ordert die Mannigfaltigkeit regelmäßig. Und die Armen – lass sie zu Geld kommen, dann erwerben auch sie unser Bilderblatt! «
    Bell schüttelte lächelnd den Kopf. »Lea, du hast dich verändert! Wo ist nur das schüchterne Mädchen geblieben, mit dem ich auf die große Reise gegangen bin? Du kannst stolz auf dich sein!«
    »Ich bin nicht auf alles stolz. Du weißt es, Bell.«
    »Jeder macht Fehler. Das gehört nun einmal zum Leben.«
    Lea verzog das Gesicht, als ob sie Zahnweh hätte. »Lass uns lieber von etwas anderem reden. Mein Arbeitstag ist schon lange zu Ende. Was meinst du, wollen wir etwas essen? Danach kann ich dir Quincy bei Nacht zeigen. Darauf freust du dich doch sicher besonders.«
    »Wie hast du das nur erraten? Ich möchte unbedingt die Pokerspieler im Full House beobachten und die Tänzerinnen im Sunrise. Mal sehen, ob sie mir noch was beibringen können.«
    »Willst du das Pokern tatsächlich nur beobachten? Das würde mich aber wundern … «
    Bell seufzte. »Du kennst mich viel zu gut. Ich werde wohl wieder die Finger nicht davon lassen können. Das kann für dich ein langer Abend werden. Ich habe schon immer gerne Karten gespielt, aber seit ich auf einem der Riverboat-Casinos für einen erkrankten Spieler eingesprungen bin, ist es ganz um mich geschehen.«
    »Was sind das nur für Leute, die am helllichten Tage Zeit für solche Vergnügungen haben?« Lea schüttelte verständnislos den Kopf.
    »Oh, da treffen die unterschiedlichsten Menschen zusammen. Edle Herren mit Frack und Zylinder samt passenden Damen, denen man den Reichtum schon an der Nasenspitze ansieht. Aber auch wild aussehende Männer des Westens, mit eckigen, glatt rasierten Gesichtern. Und, Lea, sie spielen nicht nur am Tag, sondern bis weit in die Nacht hinein. Mir kommt es vor, als ob Poker für viele die einzig große Passion wäre. Kein Wind, kein Wetter, nicht die sengende Mittagshitze, nicht einmal die Seekrankheit kann sie davon abhalten.«
    »Das klingt stark nach dem, was die Säufer an die Theke treibt.«
    »Das Geheimnis besteht darin zu wissen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um auszusteigen. Das ist beim Trinken nicht anders. Ich habe mich oft heimlich darüber amüsiert, wie all diese Menschen, die sonst nichts miteinander zu tun haben, gemeinsam über ihren Karten sitzen und einander mit misstrauischen Mienen beäugen. Es ist faszinierend zu beobachten, wie manchmal die Zahl der Scheine pro Einsatz zu fantastischer Höhe wächst. Dann ist die Spannung auf dem ganzen Dampfboot spürbar und alle kommen herbeigelaufen, um das große Ereignis mitzuerleben.
    Gute Spieler betrachten ihre Karten, ohne eine Miene zu verziehen. Und plötzlich sagt einer ›Full House‹ und steckt den ganzen Reichtum ein. Auf diesen schwimmenden Saloons dreht sich alles nur ums Pokern! Wer Geld hat, mischt die Karten und die Übrigen sitzen dabei und sehen zu, wie die anderen verlieren. Es ist ein einziges großes Schauspiel!«
    Lea betrachtete Bell mit einem liebevollen Blick. »Dir zuliebe werde ich mich heute Abend begeistern lassen und sogar einen Einsatz riskieren. Ich will dich unbedingt spielen sehen!«
    Sie konnte es immer noch kaum fassen, dass die Freundin tatsächlich vor ihr stand. Bell war am Vormittag angekommen und hatte sie mit ihrem Besuch überrascht. Leas zweiter Brief, in dem sie schrieb, dass sie nun in Quincy lebe, hatte Bell zusammen mit dem ersten erreicht. Bell lud Lea ein, sie in St. Louis zu besuchen. Als Lea nicht gekommen war, hatte sich Bell nach einigem Hin und Her auf den Weg gemacht, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass es Lea an nichts fehlte.
    »Wir werden uns nicht auf der Straße bewegen können, ohne dass sämtliche Männer dir hinterherstarren.« Lea strich bewundernd über den Stoff des tief ausgeschnittenen taubenblauen Kleides, das Bell trug. Es war von auffallender Schlichtheit und verlangte eine Schönheit wie Bell, den Glanz ihres hellen Haares und den Kontrast ihrer weißen Haut. Das Haar trug die Freundin zu einem schlichten Knoten im Nacken geschlungen. Sie war sich ihrer Wirkung sehr wohl bewusst und ihre Mundwinkel zogen sich nach oben, als sie sich vor Lea drehte.
    Lea lachte

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