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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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neugierig Gaffenden zu verscheuchen. »Die Vorstellung ist zu Ende, Leute. Bitte gebt den Weg wieder frei. Der Kutscher da vorne flucht schon ganz ordentlich und ich sehe hinten eine Frachtladung für die Dampfboote kommen.«
    Die Menge murrte.
    »Los, los, los! Oder muss ich deutlicher werden.« Der Gesetzeshüter griff zum Pistolenhalfter.
    »Was soll das? Wir stehen hier ganz friedlich beieinander!«, kam es aus der Menge.
    »Dieser Kerl will uns drohen. Glaubt, weil er Marshall ist, kann er das Maul aufreißen«, rief ein anderer.
    »Wir lassen uns nicht vorschreiben, wann es Zeit ist zu gehen!«
    »Packen Sie den Rest Ihrer Zeitschriften und verschwinden Sie, bevor das hier zu kochen anfängt«, zischte der Marshall in Leas Richtung.
    »He, Jesse, warum lässt du diese Leute nicht ihren Job machen? Du setzt dich doch nur für die Fuhrleute ein, weil dir das Frachtsteuern in die Kasse spült«, empörte sich ein Grauhaariger.
    »Wer hat dich gewählt? Ein Haufen scheißender Affen?«
    Ein Pferdeapfel schoss an ihnen vorbei und riss dem Marshall den Hut vom Kopf.
    »Verdammt! Das habe ich nicht gewollt!«, schrie Nikolas. »Lea, lauf und bring dich in Sicherheit. Ich versuche dem Marshall zu helfen.«
    »Schnappt ihn euch … «
    Es regnete Pferdeäpfel. Wie ein aufgestörter Bienenschwarm wimmelten die Männer mit erhobenen Fäusten um den Vertreter des Gesetzes und Nikolas herum.
    Lea wand sich aus der Menge, die immer größer wurde. Sie rannte auf ein Bankgebäude zu und sprang keuchend die Treppen zum Eingang hinauf, um besser sehen zu können.
    Als eine Pistole losging und jemand in die Knie sank, schrie sie auf. Einen Augenblick stand sie wie gelähmt, dann rannte sie die Stufen hinunter, stürzte sich in das Getümmel und brüllte: »Halt! Bitte hört auf!«
    Hände griffen nach Lea und schoben sie fort. Doch sie ließ sich nicht beirren und drängte in die Mitte des Geschehens.
    »Ihr sollt aufhören«, lärmte sie und begann zuerst auf die Männer einzuschlagen und schließlich wie wild zu schreien.
    Die Kerle, die sich um sie herum verkeilt hatten, hielten verunsichert inne und nahmen Abstand, als ihnen bewusst wurde, dass sich eine Frau unter ihnen befand.
    »Seid ihr denn ganz und gar verrückt geworden? Dieser Mann sorgt für Recht und Ordnung in eurer Stadt und ihr prügelt auf ihn ein. Ich bin die Schuldige«, kreischte Lea.
    Die Augen der Männer, deren Fäuste schon den Schlag führen wollten, wurden wieder klar und die Blicke wanderten von Lea zum Marshall. Langsam dämmerte ihnen, wozu sie sich hatten verleiten lassen.
    »Kommen Sie, Jesse.« Lea reichte ihm eine Hand. Einige Angreifer murmelten Entschuldigungen und halfen dem am Boden Liegenden auf. Stöhnend kam der Marshall hoch. Blut lief ihm aus Nase und Ohr. Sein rechtes Auge hatte eine blaue Färbung angenommen.
    »Wo ist Nikolas?« Lea sah sich suchend um.
    »Ihr langhaariger Freund hat sich auf mich geworfen, als die Pistole losging.«
    »Nikolas!«, schrie Lea.
    »Hier! Eine Kugel hat ihn erwischt«, brüllte jemand.
    Lea fegte durch die zurückweichende Menge und ließ sich neben ihrem Freund auf die Knie sinken. Sie berührte ihn sanft am Arm, doch er reagierte nicht.
    Der Marshall umfasste Nikolas und drehte ihn vorsichtig um.
    Blinzelnd schlug der die Augen auf. Sein Gesicht war kalkweiß. »Marshall! Sie scheinen noch lebendig zu sein. Dann hat sich’s ja gelohnt!«
    »Für Sie wohl kaum! Wo haben Sie Schmerzen?«
    »Es ist der Oberarm. Tut höllisch weh. Was ist mit Lea?«
    »Ich bin hier. Mir geht es gut!«
    »Bleiben Sie bei ihm. Ich hole einen Arzt«, befahl der Marshall.
    Lea versuchte, einen klaren Kopf zu bewahren. Sie riss einen langen Streifen vom Rock ihres Kleides und band Nikolas’ Arm damit ab. Dieser stöhnte leise auf und verlor dann das Bewusstsein. Lea fühlte sich selbst einer Ohnmacht nahe, biss aber die Zähne zusammen.
    Das Unglück hatte alle ernüchtert. Schuldbewusst blickten einige zu Boden, andere scharrten unruhig mit den Füßen. Schließlich zerstreute sich die Menge langsam. Vier Männer blieben an Leas Seite. Kurz darauf sah sie den Marshall und einen fülligen Mann mit einer schwarzen Tasche auf sich zukommen. Der Arzt beugte sich über Nikolas, untersuchte ihn und gab Anweisung, ihn auf einer Bahre wegzutransportieren. »Mein Haus ist hier ganz in der Nähe. Die Kugel sitzt im Oberarm. Ich werde sie herausholen. Der Bursche kommt wieder in Ordnung.«
    Nikolas saß aufrecht im Bett. Er wies

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