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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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hatte schon jeden Tag darauf gehofft und auf dem Weg von der Arbeit das Herzklopfen nicht unterdrücken können. Unbewusst war sie die letzten Schritte zur Wohnung schneller gegangen.
    Nun, da der Brief tatsächlich vor ihr lag, zögerte sie, ihn zu öffnen. Sie drehte das Kuvert zwischen den Fingern, griff jedoch schließlich entschlossen nach dem Brieföffner. Das war einfach lächerlich! Was glaubte sie denn, was in diesem Brief stand? Immo empfand lediglich Freundschaft für sie. Und so würden auch seine Zeilen klingen.
    Sie hatte sich nicht geirrt. Immo schrieb mit einer Leichtigkeit, die Lea denken ließ, er säße neben ihr und sie höre seine Stimme. Er erzählte von den Alltäglichkeiten auf der Insel, Dingen, von denen er wusste, dass sie Lea wichtig waren. Von den Gästen und ihren Eigenheiten, von den Insulanern und einem Schiff, das in der Harle auf ein Riff gelaufen war. Immo war dem Segler mit einigen Männern entgegengerudert. Sie hatten die schlimmsten Schäden behoben und das Schiff in Sicherheit gebracht. Daraufhin wurde ihnen ein Drittel der Ladung zugestanden. Von dem Erlös hatte Immo Bücher und Schulmaterial für »seine Kinder« gekauft.
    Lea lächelte, während sie Zeile um Zeile las. Immo schrieb nur von den schönen Dingen. So, als ob er alles Unerfreuliche, Hässliche beiseitelassen wollte. Mit keinem Wort erwähnte er ihre Abschiedsszene am Strand und auch von Carlotta oder Ferdinand Gärber hörte Lea nichts.
    Sie war Immo dankbar dafür und fühlte sich ihm nah, so wie früher. Es war, als säßen sie wieder nebeneinander in den Dünen und schütteten sich gegenseitig das Herz aus, als wären die Monate dazwischen nicht gewesen.
    In der Nacht träumte Lea von einem glücklichen Wiedersehen. Sie rannte bei Ebbe Hand in Hand mit Immo am Wasser entlang, stieg über gischtumspülte Steine und bewunderte Seesterne und Muscheln. Es roch nach Meer und die Luft schmeckte salzig. In den Sanddünen verweilten sie eine Weile und ließen sich von der Sonne wärmen. Dann stiegen sie wieder zum Wasser hinab. Der Strand, eine weite Fläche aus hellem Sand, ging in das Meer über, das nur durch eine schmale Linie schäumender Gischtkronen vom Himmel getrennt schien. Immo küsste sie vor dem Wrack eines alten Seglers, der mit Schalentieren und Seetang überkrustet war. Über ihnen schwebten Wasservögel auf der Suche nach Nahrung.
    Am nächsten Morgen hatte Lea den Traum noch so deutlich vor Augen, dass ihr die Tränen kamen. Sie griff nach Immos Brief und schob ihn in die Tasche ihres Kleides. Es war kindisch, doch sie musste seine Zeilen einfach bei sich tragen, wenigstens ein Stück von Wangerooge.
    Lea schrieb Immo gleich am nächsten Tag und schlug ebenfalls einen freundschaftlichen Ton an. In den einsamen Nächten jedoch träumte sie von mehr als nur Freundschaft. In ihrer Fantasie liebte Immo sie. Abends im Bett brauchte Lea nur die Augen zu schließen und sie waren zusammen. Manchmal versank sie in der Vorstellung, Immo würde nach Amerika reisen und sie nach Hause zurückholen.
    Tagsüber verbannte sie die Träume in den hintersten Winkel ihres Herzens und redete sich ein, dass es aus der Einsamkeit geborene Wunschträume waren, denen sie keine große Bedeutung beimessen durfte.

4
    D ie Druckpresse ist angekommen und die Lithografien sind auch schon da«, rief Nikolas eines Morgens anstelle einer Begrüßung. Er winkte Lea und Rupert, ihm zu folgen.
    Über der Tür, die zur Druckerei führte, hing seit dem Morgen ein neues Schild mit der Aufschrift: Illustrierte Mannigfaltigkeit – das intelligente Bilderblatt. Mitten im Raum stand, umgeben von etlichen Transportkisten, die in mehrere Teile zerlegte Druckpresse.
    »Es ist alles gut angekommen! Seht nur, sie haben uns sogar ein Rollpult geschickt. Das wiegt ganz schön. Und hier sind die Typensätze und die Druckerschwärze.«
    Lea strich darüber. »Gewaltig.«
    »Nicht wahr! Der Rahmen wurde mit Riemen festgezurrt an der Seitenwand des Wagens hierhertransportiert. Ich erwarte jeden Moment den neuen Schriftsetzer. Er kann mir beim Aufbau helfen.«
    Ein junger Mann schob sich durch die Tür und deutete eine Verbeugung an »Hier ist er schon! Ich bin Kalle von Felten.«
    »Noch so ein junges Gemüse«, lästerte Rupert und zwinkerte Kalle freundschaftlich zu.
    Sie schüttelten einander die Hände. Kalle war klein und drahtig, sein offenes Gesicht mit Sommersprossen übersät und das rote Haar stand ihm bürstenartig vom Kopf ab.
    »Das ist

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