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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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Kisten aufeinander und kletterte hinauf. Nikolas stellte sich an ihre Seite und schwenkte eine Ausgabe des Bilderblattes wie eine Siegesfahne.
    Lea formte mit den Händen ein Sprachrohr und rief: »Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit! Was Sie hier sehen, ist die erste auf amerikanischem Boden gedruckte Illustrierte Mannigfaltigkeit! Sie gehören zu den Glücklichen, die diese Zeitschrift zu einem sagenhaft günstigen Preis erwerben können.
    Und hier die Themen: Welche Geschäfte eröffnen im neuesten Viertel unserer Stadt? Wie arbeitet der schnellste Schriftsetzer im Westen? Welche Gebiete in der Prärie werden für günstiges Geld zur Besiedelung freigegeben? Ostfriesen aufgepasst! Wo wird der schwarze Tee angebaut und verarbeitet und wie reist er um die Welt? Dies und vieles mehr, dazu ausdrucksstarke Bilder, die ihresgleichen suchen – das ist unsere Mannigfaltigkeit! «
    Nikolas ging in die Knie und hob den großflächigen Aufsteller in die Höhe. Auf einer Seite waren Chinesinnen beim Rösten von Tee über offenem Feuer zu sehen.
    »Ahs« und »Ohs« wurden rasch von allen Seiten laut.
    Lea holte kurz Luft und rief mit fröhlicher Stimme weiter. »Außerdem heute: die romantische Geschichte der indianischen Loreley. Vor Ihnen steht der bekannte Fotograf Nikolas Holzbart, der die zu Tränen rührende Geschichte aus den Reservaten mitgebracht hat.«
    »Ein Häuptling hat sie mir persönlich erzählt!«, überschrie Nikolas das Getuschel um sie herum. Er drehte den Aufsteller um. Auf der zweiten Seite war ein wunderschönes Indianermädchen zu sehen. Sie schwebte als Wassergeist über dem Mississippi und streckte ihre Arme nach einem Mann aus, dessen Kahn, von einer Stromschnelle ergriffen, kenterte.
    »Pioniere und Abenteurer – dies ist euer Blatt! Die Mannigfaltigkeit sorgt für Belehrung und Unterhaltung!«, brüllte Nikolas und bahnte sich mit dem Aufsteller einen Weg durch die immer größer werdende Menge, damit auch jeder die Illustrationen in Augenschein nehmen konnte.
    Lea begann währenddessen Leseexemplare der Mannigfaltigkeit zu verteilen. Die Zeitschrift wanderte von Hand zu Hand und die Begeisterung nahm zu. Applaus brach aus. Die Leute drängten sich um sie, um ein Blatt zu kaufen. Diejenigen, die nicht lesen konnten, fragten andere nach dem Inhalt. Man wies auf die Abbildung des Geschäftshauses, in dem die Druckerei untergebracht war. Es wurde über die Händler im neuen Viertel diskutiert und über Leas Artikel, der die Entstehung von Perlen beleuchtete. Sie hatte Theorien verschiedener Naturforscher gegenübergestellt. Ruperts bissiger Bericht über ägyptische Landpostboten, Schnellläufer mit Glöckchen an den Füßen, fand Lacher und auch Leas Bericht über die Banane, das Mysterium der himmlischen Konditorei . Nikolas’ Gesicht strahlte, während Lea kaum schnell genug kassieren konnte und bald bei der letzten Kiste angelangt war.
    Der reißende Absatz der Mannigfaltigkeit fand ein jähes Ende durch einen kräftigen Mann, der sich mit finsterer Miene einen Weg durch die Menge bahnte.
    »Was ist hier los?«, brüllte er.
    »Nichts. Wir werben nur für die Illustrierte Mannigfaltigkeit. Möchten Sie auch ein Exemplar?«, fragte Lea.
    »Mein Name ist Jesse Blackson. Ich bin hier der Marshall und muss meiner Pflicht nachkommen. Sie halten den Verkehr auf. Das kann ich nicht gestatten!« Er wies auf die Menge, die sich bis auf die Straße drängte.
    Der Mann sprach sehr schnell und Lea hatte nur die Hälfte verstanden. Sie blickte hilfesuchend zu Nikolas, der weniger Schwierigkeiten mit der englischen Sprache hatte. »Sie können Ihre Zeitschrift nicht einfach mitten auf der Straße verkaufen. Hier in Amerika gibt es Gesetze, die befolgt werden müssen. Haben Sie überhaupt eine Lizenz zum Vertrieb?«
    »Selbstverständlich. Wir verkaufen die Mannigfaltigkeit nicht das erste Mal. Dies ist nur die erste in dieser Stadt gedruckte Ausgabe.«
    »Nun gut. Dann stören Sie die öffentliche Ordnung. Straßen und Wege dieser Stadt dürfen nicht verstopft werden. Das führt nur zu Streit und Prügeleien.«
    »Hier, unter der Eiche, das ist doch öffentlicher Grund und Boden.«
    » Sie stehen unter der Eiche, die Menschenmenge aber mitten auf der Straße!«
    »Dafür können wir nichts. Marschall, wir wollen doch nur über unser Bilderblatt informieren und sind gleich wieder weg.«
    »Das haben Sie ja jetzt getan.« Jesse Blackson wandte sich den Umstehenden zu und versuchte, die

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