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Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten

Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten

Titel: Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Vara
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freundlicher. Antonio war eben ein netter Kerl.
    »Weißt du, ich bin froh, dass ich ihn hab«, platzte Rita heraus, kaum dass sich die Tür hinter Gabriella geschlossen hatte. Offenbar war ihr dieser Georg die ganze Zeit im Kopf herumgegangen. »Eben weil er auf meinen Dad aufpasst, wenn ich nicht da bin. Und ich muss ja sonst arbeiten gehen.«
    »Und er …?« Nicht, dass sie überhaupt fragen musste.
    »… er hat im Moment keinen Job. Aber er sucht einen«, fügte sie wenig überzeugend hinzu.
    Gabriella verkniff sich ein abfälliges Schnauben.
    »Es ist aber schwierig, etwas Gutes zu finden«, sprach Rita hastig weiter. »Alles kann er natürlich nicht machen – das ist unter … seinem Niveau.«
    Zweifellos. Genauso sah er auch aus. Sie hatte hier auf dem Markt oft Gelegenheit, weniger vom Schicksal Begünstigte zu beobachten, solche wie der Mann, der vorhin hier gewesen war. Obdachlose, Arbeitslose, Menschen, die es irgendwie aus der Bahn geworfen hatte. Nur eine Gasse weiter gab es eine öffentliche Küche, wo sie sich versammelten. Es gehörte oft verflixt wenig dazu, abzustürzen, das konnte so ziemlich jedem passieren. Aber bei Ritas Freund galt diese Unschuldsvermutung nicht.
    »Er ist auch nicht immer so. Er kann sehr lieb sein. Du weißt schon.« Rita blinzelte und lächelte, aber ihr Lächeln hatte nichts Anzügliches, deshalb blinzelte Gabriella zurück.
    »Ich glaube, ich kann mich dunkel erinnern, was du meinen könntest.«
    Seltsam, dass ihr ausgerechnet jetzt dieser Graue einfiel. Darran . Wie eifrig er seinen Namen genannt hatte, fast ein wenig stolz, als sei ein Name etwas Besonderes. Vielleicht war es das auch, denn bisher war sie nicht einmal auf den Gedanken gekommen, diese Grauen könnten Namen haben. Eigentlich war er nicht unsympathisch. Ein bisschen schüchtern, das machte ihn … hm … anziehend? Hatte er ihr wirklich auf den Hintern gestarrt, als sie davongegangen war?
    Sie reckte den Hals, um aus dem Fenster hinauszusehen. Dort war der Baum, unter dem er warten sollte, aber von ihm noch keine Spur. Ein Blick auf die Uhr über der Spüle zeigte, dass es auch noch viel zu früh für ihr Date war. Noch fünf Stunden bis dahin.
    Sie fuhr herum, als hinter ihr Geschirr klirrte. Ein Teller war zu Boden gefallen und in etliche Scherben zersprungen. Rita stand wie versteinert da und starrte mit weit aufgerissenen Augen zum Fenster hinaus. Sie war so blass geworden, dass Gabriella nach ihrem Arm griff.
    »Was ist denn? Was ist denn dort?« Niemand war auf der Straße außer ein paar Kindern. Ganz hinten ging der Obdachlose, der vorhin bei ihnen gegessen hatte. Vielleicht hatte er neugierig zum Fenster hereingesehen und Rita erschreckt? »Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«
    »So ähnlich war es auch.« Rita war immer noch blass. Nur einige hektische Flecken brannten auf ihren Wangen. Ihre Hände zitterten, als sie sich hinhockte, um die Scherben aufzuklauben. Gabriella half ihr und musterte sie dabei immer wieder besorgt.
    »Was war denn?«
    Rita fuhr sich über das Gesicht. »Nichts weiter. Mir hat nur die Einbildung einen bösen Streich gespielt. Einen … sehr bösen.«
    ***
    Gabriella schien es, als wäre das gesamte letzte Jahr schneller vergangen als dieser eine Tag. Sie war schon eine halbe Stunde vor ihrer Verabredung so ungeduldig, dass sie alle paar Sekunden auf die Uhr sah. Würde er wirklich kommen? Er hatte nicht den Eindruck gemacht, als würde er sich über sie lustig machen. Sie erinnerte sich an dieses unsichere Lächeln, als wäre es ungewohnt für ihn, und er würde erst probieren, wie das überhaupt funktionierte. Was er wohl von ihr wollte? Welche Fragen wollte er ihr stellen? Ihre wusste sie bereits. Die Liste war lang genug, um ihn eine Weile zu beschäftigen.
    Und dann war es endlich so weit. Der große Zeiger stand kaum auf der Zwölf, als sie ihre Sachen packte, ein rasches Grußwort zurückrief und auch schon draußen bei der Tür stand. Sie zwängte sich durch eine Gruppe von Leuten, die auf der Suche nach einem Imbiss ins Lokal drängten, und schritt dann energisch auf den Baum zu.
    Abgesehen von den vielen Menschen war die Straße leer. Sie ging um den Baum herum. Sie sah hinauf in die Krone, musterte sogar misstrauisch den Stamm, blickte links, rechts die Straße hinauf und hinunter.
    Nichts.
    Dann lief sie weiter. Vielleicht wartete er weiter vorne, die Straße entlang? Bei einem anderen Baum? Sie kehrte zurück.
    Zehn Minuten später suchte

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