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Tochter der Träume / Roman

Tochter der Träume / Roman

Titel: Tochter der Träume / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
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mir sogar sicher, dass ich nicht stark genug war – noch nicht.
    Außerdem bestand noch immer die Möglichkeit, dass mein Vater Karatos bei seinem kleinen Entführungsversuch geschnappt hatte. Vielleicht wurde Karatos in diesem Augenblick, während ich hier saß und mir ein Stück Thunfischbaguette einverleibte, von seinem Schöpfer langsam und schmerzhaft ausgelöscht. Dieser Gedanke gefiel mir am besten. Ich würde ihn später überprüfen.
    Ich schluckte den letzten Bissen hinunter und setzte Kaffee auf. Wenn ich mit Julie ausging, würde ich all meine Energie brauchen. Während der Kaffee durchlief, ließ ich mir ein Bad ein. Ich goss ein wenig Duftöl in die Wanne und gab etwas Schaumbad dazu, das nach Chai roch. Dann steckte ich meinen iPod in die kleine Anlage, die ich extra dafür gekauft hatte, und drückte auf »Play«. Meine Kleider glitten zu Boden, während die ersten Töne von »Temptation Waits« von Garbage erklangen.
    Mit einem Becher voll süßem, sahnigem Kaffee tauchte ich in die Wanne ein und sinnierte darüber nach, wie ich in der Traumwelt Waffen herbeizaubern und Gegenstände verwandeln könnte. Morpheus hatte klar gesagt, dass er dies zuerst mit mir üben wollte.
    Ich schloss die Augen und lehnte mich an das Wannenkissen.
Bitte, bitte, bitte. Lass ihn kein Bösewicht sein.
Ich konnte nicht sagen, zu wem ich betete. Ob zu Gott oder zu Ama, der großen Spinne, die die Traumnetze spann und die spirituelle Mutter aller Traumwesen war, doch das war nicht so wichtig. Ich würde zu jedem beten, der mich erhörte. Mochte ich meinen Vater auch für das verachten, was er meiner menschlichen Familie angetan hatte, so wollte ich doch an ihn glauben und ihm vertrauen können.
    Viele der Waffen, die mein Vater mir gezeigt hatte, sahen aus, als entstammten sie der asiatischen Kampfkunst. Ich wusste nicht viel darüber, außer dass Menschen, die sie ausübten, schön anzusehen waren. Aber woher sollte ich wissen, wie ich mit den Waffen umzugehen hatte, wenn es mir gelungen war, sie heraufzubeschwören? Würde ich es instinktiv wissen? Darauf wollte ich es lieber nicht ankommen lassen.
    Ich wusste, dass Noah Kampfsport machte, da wir einmal darüber gesprochen hatten. Vielleicht würde er mich trainieren, sofern wir uns wieder zusammenrauften. Wenn nicht, müsste ich anderswo Kurse belegen.
    Ich rasierte mir Beine und Achseln, rubbelte meine Fersen ab und trug ein Fruchtsäurepeeling auf, das mein Gesicht erstrahlen ließ. Ich kostete jede Sekunde meines zweistündigen Verwöhnprogramms aus und probierte beim Schminken verschiedene Abdeckcremes, Konturenstifte und Highlighter aus, während sich eine beträchtliche Anzahl beheizbarer Wickler auf meinem Kopf türmte. In solchen Momenten liebte ich es, eine Frau zu sein.
    Als ich fertig geschminkt und angezogen war, musste ich auch schon los. Auf dem Weg zur U-Bahn machte ich noch einen Abstecher in den Supermarkt, um den Ananassaft zu besorgen.
    Julie wohnte in der Lower East Side, in einem modernen Gebäude, zu dessen Bewohnern mindestens ein ausgeflippter Künstler und eine Gothic Drag Queen gehörten. Ich fände es prima, wenn sich Julie mit der Queen enger anfreunden würde. Der Gothic-Look war zwar nichts für mich, aber mit ihrem Make-up, der Frisur und den Klamotten war die Drag Queen eine fast zwei Meter große, unglaubliche Erscheinung, deren Geheimnisse ich gern erfahren hätte.
    Ich klingelte, und Julies Freund Joe machte mir auf. Julie und Joe – klang süß, nicht? Joe würde an diesem Abend nicht mitkommen, denn er mochte unsere Lieblingsbar nicht, aber er begrüßte mich herzlich und zauberte schon nach kurzer Zeit einen Drink in meine Hand.
    Julie war ein zierlicher, brünetter Typ mit dickem, lockigem Haar und einem breiten Lachen. Ihr Grinsen verriet mir sofort, dass sie bereits ein oder zwei Drinks intus hatte und ich diesen Vorsprung schleunigst aufholen musste.
    Drei Ananassaft mit Malibu-Rum später zogen Julie und ich schließlich los ins
Scritti’s
, eine Bar im Stil der Achtziger, die nur wenige Schritte von Julies Wohnung entfernt lag. Es gab dort Poster und Transparente von Pop- und Metal-Bands der achtziger Jahre, Neonlichter und Spiegelkugeln sowie eine Tanzfläche, die wie ein Zauberwürfel aussah. Mein Lieblingstisch – den wir sogar ergattern konnten – stand unter einem riesigen Poster von Bon Jovi, das schätzungsweise aus dem Jahr 1986 war und das ihn mit auftoupierter Haarpracht, einer Jacke im Leopardenlook und

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