Tochter Der Traumdiebe
schmaler Riss erschien. Ich taumelte zurück. Wäre das Schwert nicht so vollkommen ausbalanciert gewesen, ich hätte es nicht noch ein drittes Mal schwingen können. Aber ich schlug noch einmal zu.
Plötzlich begann das Schwert zu singen. Irgendwie stellte das vibrierende Metall eine Verbindung zum vibrierenden Fels her und brachte eine erstaunliche Harmonie hervor. Der Klang drang tief ich mich ein, schwoll an und wurde lauter, bis ich nichts anderes mehr hören konnte. Ich wollte das Schwert noch ein viertes Mal heben, doch ich kam nicht mehr dazu.
Mit ohrenbetäubendem Krachen teilte sich die massive Felswand. Sie teilte sich wie ein mit dem Beil gespaltenes Holzscheit mit einem scharfen, knirschenden Geräusch und aus dem Spalt wehte etwas heraus, das sich kalt und uralt anfühlte und uns vollständig umfing. Bastable keuchte. Die junge Frau hatte kurz innegehalten und ein paar Pfeile auf die Nazi-Schläger abgefeuert, doch es war unmöglich zu erkennen, ob sie jemanden getroffen hatte. Bastable übernahm stolpernd die Führung und wir folgten ihm in eine gewaltige Höhle, deren Boden am Eingang glatt wie geschliffener Marmor war. Wir hörten Echos. Geräusche wie von menschlichen Stimmen. Ferne Glocken. Das Miauen einer Katze.
Ich hatte Angst.
Stand ich jetzt tatsächlich vor den Toren der Hölle? Ich wusste: Wenn sich die Wand hinter mir schloss, wie sie es in der Legende von Hameln getan hatte, dann würde ich lebendig begraben sein, abgeschnitten von allem, was ich je geliebt oder geschätzt hatte. Die Ungeheuerlichkeit der Vorgänge - dass ich mit der Klinge irgendeine Art von Resonanz erzeugt und den massiven Fels gespalten hatte, hinter dem sich eine Höhle öffnete - erinnerte an eine bizarre Legende aus dem dreizehnten Jahrhundert und die Kinderkreuzzüge. Ich glaube, ich war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren. Dann spürte ich die junge Frau neben mir und taumelte weiter. Jede Prellung, jeder Riss und jeder Bruch bereitete mir fast unerträgliche Schmerzen. So liefen wir in die Dunkelheit hinein.
Bastable war ein Stück vor uns und fast nicht mehr zu sehen. Ich rief ihn und er antwortete sofort. »Wir müssen in den Stalagmitenwald. Beeilen Sie sich, Mann. Die Felswand wird noch eine Weile offen bleiben und Gaynor hat den Mut, uns zu folgen.«
Ein lauter Schrei war zu hören, dann flammte grelles Licht auf, als Gaynors Wagen den Eingang der Höhle erreichte und hereinfuhr. Er war wie ein besessener Jäger, der seine Beute hetzt, der Wagen war sein Streitross. Kein Hindernis und keine Bedenken waren wichtig genug, um ihn von unserer Fährte abzubringen.
Ich hörte wieder Maschinenpistolenfeuer. Irgendwo erklangen Glocken wie klimperndes Glas. Etwas Schweres rauschte in der Dunkelheit von oben herunter und knallte dicht hinter mir auf den Boden. Kleine Bruchstücke rieselten auf mich herab.
Die Schüsse erschütterten die Fels- und Eisformationen, die für solche Höhlen typisch sind. Im Scheinwerferlicht von Gaynors Wagen schaute ich nach oben. Etwas Schwarzes flog durch mein Gesichtsfeld. Ich sah Bastable und die junge Bogenschützin ebenfalls zur Decke spähen, offenbar besorgt, was die Schüsse noch alles losbrechen mochten.
Wieder kam ein Speer aus Stein herunter. Steinbrocken trafen mich im Gesicht und an den Händen. Ich sah noch einmal nach oben, verlor das Gleichgewicht und rutschte plötzlich einen Abhang aus losem Schiefer bergab.
Über mir hörte ich Bastable rufen. »Halten Sie das Schwert fest, Graf Ulric. Wenn wir getrennt werden, gehen Sie nach Morn und suchen Sie die Off-Moo.«
Die Namen sagten mir nichts, sie klangen fast lächerlich. Aber ich hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn ich musste mich anstrengen, um die Rutschpartie zu beenden und gleichzeitig Rabenbrand festzuhalten. Das Schwert wollte ich auf keinen Fall loslassen.
Wir waren zu einem einzigen Wesen geworden.
Mann und Schwert, wir existierten in gottloser Einheit, jeder vom anderen abhängig. Ich dachte: Wenn einer zerstört würde, dann würde auch der andere sofort zu existieren aufhören. Eine Aussicht, die immer wahrscheinlicher zu werden drohte, während der Abhang steiler und steiler wurde und mein Rutschen sich in einen Schwindel erregenden Sturz verwandelte, hinab und immer weiter hinab in unergründliche Tiefen.
6. Abgründe der Natur
Ich weinte vor Schmerz, als der Sturz endlich aufhörte. Irgendwann hatte ich die Hand fest um den Griff des Schwerts gelegt. Instinktiv wusste
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