Tochter Der Traumdiebe
wurden.
Als ich näher kam, sah ich jedoch, dass die Gestalt, die auf uns wartete, ein riesiger roter Fuchs war, der auf den Hinterbeinen stand und sich mit einem langen, geschnitzten Gehstock aufrecht hielt. Gekleidet war er wie ein herausstaffierter französischer Edelmann des siebzehnten Jahrhunderts, überall Spitzen und Stickerei. Indem er mit ungeschickter Pfote den breitkrempigen, mit Federn geschmückten Hut vom Kopf nahm, sprach der Fuchs ein paar Worte zum Gruß und verneigte sich.
Mit einer gewissen Erleichterung, als dürfte ich endlich aus einem Albtraum fliehen, verlor ich das Bewusstsein und brach auf dem bebenden Boden der Brücke zusammen.
7. Volk der Tiefe
Außerstande, noch eine weitere Attacke auf alles Erlernte und Erfahrene hinzunehmen, tat mein Bewusstsein, was es tun musste, um sich zu retten. Es zog sich in Träume zurück, die so phantastisch waren wie die Realität, aber immerhin waren es Träume, über die ich eine gewisse Kontrolle zu behalten schien. Wieder frohlockte ich, als ich nicht nur eine Einzige, sondern einen ganzen Schwarm der riesigen, eleganten Flugechsen lenkte. Wir rasten durch einen kalten Winterhimmel, dicht bei mir jemand im Sattel, der mein Entzücken teilte. Jemand, den ich liebte.
Dann stand wieder mein Doppelgänger vor mir. Er fasste nach mir. Die Frau war verschwunden, ich ritt nicht mehr auf dem Drachen. Der Doppelgänger kam näher und ich sah sein schmerzverzerrtes Gesicht. Die roten Augen weinten helles Blut. In diesem Augenblick fürchtete ich ihn nicht mehr, ich empfand Mitgefühl. Er bedrohte mich nicht. Vielleicht wollte er mich warnen?
Langsam verblassten die Bilder und ich empfand ein außergewöhnliches Wohlbehagen, als schwebte ich, als würde ich aus dem Mutterleib ohne jeden Schmerz noch einmal geboren. Als ich mich entspannte, kam auch meine Vernunft wieder zum Vorschein.
Ich konnte die Existenz eines unterirdischen Reichs akzeptieren, das beinahe unendlich groß zu sein schien. Ich konnte hinnehmen und verstehen, welche Auswirkung die seltsamen Felsformationen auf meine Phantasie hatten. Aber ein Fuchs aus einem Märchen - das war einfach zu viel. In meinem fieberhaften Bemühen, all die fremdartigen Eindrücke zu verarbeiten, hatte ich mir die Begegnung wohl einfach nur eingebildet. Oder ich hatte mich so an das Phantastische gewöhnt, dass ich einen als Volpone verkleideten Schauspieler nicht als das erkannt hatte, was er war.
Natürlich war der Fuchs nirgends zu sehen, als ich die Augen öffnete. Vielmehr sah ich einen Riesen über mich gebeugt, dessen Kopf mir ein wenig wie eine belebte Version der Figuren auf der Osterinsel vorkam. Er blickte mit beinahe übertriebener Sorge auf mich hinab. Seine Uniform erschreckte mich, bis mir bewusst wurde, dass es keine deutsche war. Ich fand es kaum noch bemerkenswert, dass er die sorgfältig aufgearbeitete Tracht eines Offiziers der französischen Fremdenlegion trug. Ein Armeearzt? Hatte unsere Reise uns nach Frankreich geführt? Nach Marokko? Mein kleines Hirn sprang auf halbwegs einleuchtende Erklärungen los wie die Katze auf den Vogel.
Der große Fremdenlegionär half mir, mich im Bett aufzurichten.
»Fühlen Sie sich jetzt wieder besser?«
Ich hatte ihm schon zögernd in der gleichen Sprache geantwortet, ehe mir bewusst wurde, dass wir klassisches Griechisch sprachen. »Sprechen Sie nicht französisch?«, fragte ich.
»Aber gewiss doch, mein Freund. Doch die allgemeine Sprache ist hier das Griechische und es gilt als unhöflich, eine andere zu benutzen, auch wenn unseren Gastgebern die meisten Sprachen der Erde durchaus bekannt sind.«
»Uns wer genau sind unsere Gastgeber? Übergroße herausgeputzte Füchse?«
Der Legionär lachte. Es klang, als sei eine Granitplatte gesprungen. »Sie sind offenbar Lord Renyard begegnet. Er brannte darauf, Sie als Erster zu begrüßen. Er dachte, sie würden ihn vielleicht sogar erkennen. Meines Wissens war er mit einem Ihrer Vorfahren befreundet. Er und Ihre Gefährtin, Mademoiselle Oona, mussten sofort nach Mu Ooria Weiterreisen, wo sie dringende Beratungen zu führen haben. Wie ich weiß, mein Freund, habe ich die Ehre, Graf Ulric von Bek hier begrüßen zu dürfen. Ich bin Ihr ergebener J.-L. Fromental, Leutnant der französischen Fremdenlegion.«
»Und wie sind Sie hierher gekommen?«
»Zweifellos durch Zufall. Durch einen ähnlichen Zufall wie M’sieur le Comte, würde ich meinen.« Fromental half mir, mich im langen, schmalen Bett
Weitere Kostenlose Bücher