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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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rückwärts um und hob unwillkürlich die Hände, um die Augen zu schützen. Ich dachte, die Off-Moo müssten auf ähnliche Weise betroffen reagieren, doch sie blieben ruhig stehen, wo sie waren. Immer noch die Augen schützend, fand ich Oona. Auch sie hielt sich die Hände vors Gesicht. »Was ist hier los?«, fragte ich sie.
    »Ich glaube, sie kennen einen Weg, um das Licht umzuleiten.« Mehr konnte sie nicht sagen. Dann war das weißgoldene Glühen vorüber und meine Augen hatten sich an das gewöhnt, was geblieben war. Ich konnte die Quelle der Strahlung erkennen. Im Zentrum des Kreises, dreidimensional und völlig real aussehend, schwebte ein gewöhnlicher Steinblock im Raum und strahlte eine schwache, lieblich klingende Schwingung aus, die eigenartige Erinnerungen weckte, Erinnerungen an Momente der Reinheit. An Augenblicke, in denen Gedanken, Taten und Wünsche miteinander in Einklang waren. Halb erwartete ich schon, dass Parzival, der edle Ritter, kniend vor dem Stein erschien. Dann begann sich der Stein vor meinen Augen zu verändern.
    Voller Ehrfurcht und Staunen sah ich Wirklichkeit werden, was ich immer nur für eine wundervolle Legende gehalten hatte. Eine große goldene Schale, besetzt mit Kristallen und kostbaren Edelsteinen, überfließend vor schwerem, rotem Wein, der an den Seiten herunterlief und sich mit dem Licht vermischte, das zu dunklem Gold gedämpft wurde und dem Konferenzsaal der Off-Moo tiefe und lebendig wallende Schattierungen verlieh, voll dunkler, wirbelnder Farben. Meine Sinne waren kaum in der Lage, die Vielzahl der Eindrücke aufzunehmen. Ich fühlte mich seltsam schwach und sehnte mich unwillkürlich danach, mit dem Rabenschwert vereint zu sein. Ich hatte den Eindruck, wenn ich nur den Griff berühren könnte, dann würde ich neue Kraft aus der schwarzen Klinge ziehen. Doch das Schwert lag in meinen Gemächern und ich wollte auf keinen Fall auf den Anblick dieses außergewöhnlichen Gefäßes verzichten. Der Kelch, dieser Gral, wurde zusehends größer. Überall nickten und ruckten die kegelförmigen Kappen der Off-Moo, als wäre dieser Anblick sogar für sie ungewöhnlich. Weiche Schatten spielten um den abgerundeten Stein.
    Die Off-Moo stimmten einen tiefen Ton an, der sich zu einem Sprechgesang entwickelte, zu einem Wort, zu einem Mantra, das genügend Kraft zu haben schien, um die ganze Welt in Schwingung zu versetzen. Licht und Dunkel wurden zusammengefügt und vermischten sich. Der Kelch nahm unterdessen eine neue Gestalt an, rollte sich in sich selbst zusammen, bis ein goldener, mit Edelsteinen geschmückter Stab entstanden war, der sich über der dunklen Glasplatte langsam um sich selbst drehte.
    Jetzt veränderte sich der Gesang der Off-Moo und der Stab dehnte sich aus und wurde länger. Einen Augenblick lang nahm er die Gestalt eines kleinen Kindes mit einem runden Engelsgesicht an. Dann war wieder der Stab zu sehen, der abermals die Form veränderte, bis ein Pfeil entstanden war. Das Zeichen der Ordnung. Danach erschien ein Bündel von Pfeilen, das ausfächerte und sich über dem Kreis aus Glas nach oben richtete. Acht goldene, mit Edelsteinen besetzte Pfeile, die sich langsam umeinander drehten. Das Chaos.
    Die Off-Moo konzentrierten sich auf das Feld aus funkelndem Obsidian. Schnell formte sich ein dreidimensionales Bild. Reiter schienen aus dem Felsen aufzutauchen und in unsere Richtung zu galoppieren. Die Illusion war einer sehr realistischen Filmvorführung nicht unähnlich. Aber es war auch eine erschreckende Realität. In seiner bizarren Rüstung ritt Gaynor auf einem großen weißen Hengst, dessen Augen blind nach oben starrten, der jedoch auch ohne zu sehen sicher auftrat. Hinter ihm, auf ähnlich blinden, hellen Pferden, ritten in schwarzen und silbernen Uniformen die SS-Leute, angeführt von Klosterheim. Sie trugen Mäntel und waren mit verschiedenen altmodischen Waffen ausgerüstet.
    Hinter ihnen kam eine bizarre Versammlung von Ungeheuern und grotesken Wesen gerannt und gehüpft, die aussahen, als wären sie einem Bild von Bosch entsprungen. Vielleicht hatte der Maler die Anregungen sogar aus Erlebnissen wie diesem statt aus der Phantasie bezogen. Es waren Geschöpfe mit langen Gliedmaßen, schmalen Köpfen und großen, kurzsichtigen Augen. Sie schnüffelten mit unmöglich langen Schnauzen und orientierten sich offenbar eher am Geruch als mit Blicken. Diese Parodien von Menschen waren mit ihren schlenkernden Gliedmaßen erheblich größer als die Männer, die

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