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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Terrassen Pflanzen wuchsen, die sie Mondblumen nannte.
    Trotz aller Gefahren und Geheimnisse, mit denen ich konfrontiert worden war, empfand ich angesichts dieser Schönheit Dankbarkeit. Sie stellte alles in den Schatten, was ich mir bisher hatte ausmalen können. Es war eine Tiefe, eine fast greifbare und allgegenwärtige Realität, wie sie nicht einmal ein Opiumesser hätte erleben können. Auch in Träumen existierte ein gewisses Bewusstsein, aber die Realität dieser düsteren, felsigen Welt konnte man nicht verleugnen.
    Offensichtlich war Oona nicht bereit, noch weitere Fragen zu beantworten, und so schwiegen wir eine Weile und bewunderten die Geschicklichkeit der Off-Moo-Architekten, die ihre Schöpfungen so harmonisch in die natürlichen Gegebenheiten eingegliedert und der Stadt eine organische Ausstrahlung verliehen hatten, wie ich sie an einem Ort von dieser Größe noch nie gesehen hatte.
    Als wir uns abwandten, nachdem wir einen sich verjüngenden Vorhang aus durchsichtigem Fels bewundert hatten, der im Licht vom See zu vibrieren schien, sah ich keine vier Schritte neben mir einen Mann stehen. Mir wurde schwindlig und ich war wie gelähmt vor Schreck. Wieder war mein Doppelgänger aufgetaucht, immer noch protzig schwarz gerüstet, das Gesicht meinem eigenen zum Verwechseln ähnlich, hohe Wangenknochen und schräg angesetzte Augenbrauen, rote, hart funkelnde Augen, die Haut wie junges Elfenbein gefärbt. Er schrie mich an. Er schrie mich an und wusste doch, dass ich kein Wort verstehen konnte.
    Oona sah ihn auch und erkannte ihn. Sie wollte sich ihm nähern, doch er verschwand in einer Gasse und winkte mir, ich solle ihm folgen. Er wurde schneller, wir mussten laufen, um mit ihm Schritt zu halten. Hierhin und dorthin ging es, wir bogen ab und liefen durch schmale Gänge, stiegen Treppen hinauf und überquerten Brücken und folgten dem Bewaffneten bis in die Randbezirke der Stadt und ein Stück ins Land hinein. Er blieb die ganze Zeit vor uns und bewegte sich mit gleichmäßigem Tempo am Flussufer entlang, zwischen sich stetig verändernden Schatten, im flackernden, silbrigen Licht. Ab und zu sah er sich nach uns um und der schwarze Helm umrahmte das Gesicht eines Mannes, der dringend ein Ziel erreichen will. Ich war sicher, dass wir ihm folgen sollten.
    Einen Augenblick geblendet, verlor ich ihn aus den Augen. Oona rannte mir voraus. Ich glaube, sie konnte ihn noch sehen. Ich eilte hinterher.
    Dann hörte ich vor mir auf einmal einen gequälten Schrei, einen Laut voll Kummer und Entsetzen. Ich rannte weiter und fand die junge Frau neben einer Gestalt kniend, die ich zuerst für die Leiche des schwarz gerüsteten Fremden hielt.
    Doch der Fremde war verschwunden und der Leichnam war der des großen Säbelzahnpanthers, der auf dem Weg zur Stadt unser Floß begleitet hatte.
    Oona hob mir das verweinte Gesicht entgegen.
    »Das kann nur Gaynor gewesen sein«, sagte sie. »Er tötet zum Vergnügen.«
    Ich sah mich um, hoffte den Fremden zu entdecken und fragte mich, ob nicht er die Katze getötet hätte. Ich dachte, ich hätte Kupfer und Silber aufscheinen gesehen und einen höhnischen Laut vom Fluss her vernommen, doch mein Doppelgänger war nirgends zu entdecken.
    »Kannten Sie das Tier?«, fragte ich Oona. Ich kniete neben ihr nieder, während sie die Arme um den großen Körper schlang.
    »Ob ich sie kannte?« Oonas schlanker Körper bebte unter heftigem Schluchzen. »0 ja, Graf von Bek, ich kenne sie.« Sie hielt inne und versuchte, die Fassung wiederzugewinnen. »Wir sind mehr als Schwestern.« Jetzt strömten die Tränen, fließendes Silber auf gespenstisch weißer Haut.
    Ich dachte, ich hätte sie missverstanden.
    »Nur Gaynor«, flüsterte sie, indem sie wieder den Kopf hob und sich umsah. »Nur er ist grausam und mutig und auch klug genug, um zuerst unsere Katzen anzugreifen. Sie sind lebenswichtig für Mu Oorias Verteidigung.«
    »Sie sagten, sie sei Ihre Schwester?« Ich betrachtete verwundert die große schwarze Katze, die gekrümmten weißen Reißzähne, die beinahe so lang waren wie Schwerter. »Dieses Raubtier?«
    »Nun«, meinte sie abwesend, während sie immer noch um ihre Fassung rang, »schließlich bin ich die Tochter einer Traumdiebin. Ich besitze in dieser Angelegenheit eine gewisse Entscheidungsfreiheit.«
    Dann trat Gaynor in seiner SS-Uniform hinter einer Säule hervor. Er hatte einen völlig unpassenden kurzen Knochenbogen in einer Hand, mit der anderen spannte er eine schwarze Sehne.

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