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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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gefesselt davon und hingerissen, es zu sehen.
    Ohne nachzudenken fasste ich den Griff etwas anders und hielt es mit der Spitze nach unten, damit der Knauf ein Gegengewicht bildete. So konnte ich es schnell heben, fast ohne mich anzustrengen, und Gaynor den Bogen aus der Hand schlagen. Ich musste ihn nur näher an mich heranlocken.
    Aber er war vorsichtig. Er hielt sich in sicherer Entfernung und ließ den Pfeil auf der gespannten Sehne liegen. Offensichtlich war er in der Kunst des Bogenschießens noch nicht sehr erfahren, schien es aber recht gut zu beherrschen.
    Also musste ich es anders beginnen. Ich musste mich ihm nähern.
    Ich begann mich zu bewegen, sehr vorsichtig, und sprach mit ihm, während ich die Entfernung zwischen uns verkürzte. Gaynor grinste nur und schüttelte den Kopf. »Wie kommst du auf die Idee, ich hätte auch nur den geringsten Grund, dich jetzt noch am Leben zu lassen, mein Vetter? Du hast, was ich brauche. Ich muss dich nur töten, um es dir zu nehmen.«
    »Du hättest mich gleich in den Rücken schießen können, um dies zu erreichen«, sagte ich. Genau in diesem Augenblick schoss er einen Pfeil ab, der mich hoch im linken Arm traf. Ich war erstaunt, dass ich keinen Schmerz empfand, dann wurde mir klar, dass die kräftige Jägerjacke den Pfeil aufgehalten hatte. Ich selbst blieb unverletzt. Bevor er den nächsten Pfeil einlegen konnte, hatte ich schon ein paar rasche Schritte auf ihn zu gemacht und ihm die nadelspitze Schwertspitze an die Kehle gelegt.
    »Lass die Waffe fallen, Vetter«, verlangte ich.
    Ich spürte einen scharfen Schmerz in der Seite, blickte hinunter und sah die Klinge eines Nazidolchs, der gegen meine Rippen gepresst wurde. Als ich aufschaute, sah ich in die leblosen Augen des hageren Klosterheim.
    »Dann haben auch Sie einen Doppelgänger«, sagte ich schaudernd.
    »Wir sind alle gleich«, murmelte Klosterheim. »Wir alle. Millionen von uns.«
    Er schien zu fiebern, er wirkte zerstreut. Sogar nervös.
    Jetzt war ein Patt entstanden. Ich bedrohte Gaynors Kehle, Klosterheim hielt mir ein Messer an die Brust.
    »Lassen Sie das Schwert sinken, mein Herr«, sagte er. »Legen Sie es vor sich auf den Boden.«
    Ich lachte ihn aus. »Ich habe geschworen, lieber zu sterben als Rabenbrand auszuliefern.«
    Gaynor verlor die Geduld. »Auch dein Vater hat geschworen, lieber zu sterben als das Erbe deiner Familie wegzugeben. Und gestorben ist er. Ulric, mein lieber Vetter. Gib mir das Schwarze Schwert und ich garantiere dir, dass du mit allen deinen Dorfbewohnern in Bek leben kannst. Du sollst dein Schloss behalten und alles soll so bleiben, wie du es gewöhnt bist. Niemand wird dich behelligen. Glaube mir, lieber Vetter, es gibt einige unter uns, die genauso idealistisch sind wie du. Sie würden sich jederzeit die Hände schmutzig machen, um die Samen des Paradiesgartens zu säen. Wenn du dich entscheidest, dass deine Hände sauber bleiben sollen, dann ist das deine Sache. Ich aber treffe eine andere Entscheidung. Ich bin bereit, das Notwendige zu akzeptieren und im ganzen Multiversum die Ordnung zu verwirklichen. Hast du das verstanden?«
    »Ich habe verstanden, dass du verrückt bist«, gab ich zurück.
    Er lachte laut. »Verrückt? Verrückt sind wir alle, mein Vetter. Das ganze Multiversum ist verrückt. Aber wir werden es zur Vernunft bringen. Wir werden es zu dem machen, was es unserer Ansicht nach eigentlich sein soll. Spürst du denn nicht, wie du dich veränderst? Dies ist der einzige Weg, wenn man überleben will. So habe auch ich überlebt. Kein Mensch kann jedoch den Ansturm so vieler Ideen und Sinneseindrücke überstehen, ohne sich radikal zu verändern. Glaubst du wirklich, du wärst noch derjenige, der erst vor kurzem aus einem Konzentrationslager geflohen ist?«
    Er sagte die Wahrheit. Ich würde niemals mehr derselbe sein wie zuvor. Aber gleichzeitig war er auch darauf aus, mich zu verwirren.
    »Herr Klosterheim muss mich schon töten«, erwiderte ich, »denn ich werde dir weder meine Dienste noch mein Schwert freiwillig schenken.«
    Es war ein Patt, aus dem es keinen Ausweg gab. Ich sah an Gaynor vorbei und erkannte hinter seiner Schulter eine vertraute Gestalt, die über den glatten Boden des Platzes in meine Richtung gerannt kam. Sie trug eine reich geschmückte schwarze Rüstung und einen komplizierten Helm. Die roten Augen funkelten, die bleichen Hände waren ausgestreckt. Sie rannte mitten durch Gaynor hindurch, der es nicht einmal bemerkte. Ein körperloser

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