Tochter des Drachen
hatte ihre Miene verraten, was sie dachte, denn die Züge des Koordinators wurden ernst. »Nun?«
Denk daran, vor allem ist er die Inkarnation des Drachen. Emi wählte ihre Worte sorgfältig. »Wie klar der Koordinator alles sieht und registriert. Und doch, erfüllt er nicht selbst den Grundsatz, den er ablehnt?«
»Wir verstehen nicht, was du damit sagen willst, Lady Emi.«
»Eure Kleidung, Tono. Der Drache hat es nicht nötig, seine Macht zur Schau zu stellen. Er braucht sie nur zu benutzen.«
»Ah. Das. Weise Worte. Wie wir sie von der Wahrerin der Hausehre erwarten.« Er pausierte kurz. »Vielleicht möchten wir nur in den Augen unseres Volkes Wert behalten.«
»Dann muss ich als Wahrerin ... Liegt nicht die erste Pflicht des Drachen darin, etwas zu sein, was nicht ist? Ich kann mich nicht entsinnen, jemals eine so prächtig verzierte Nabe gesehen zu haben.«
Der Gesichtsausdruck des Koordinators blieb milde. »Wir vergeben dir sehr viel, Lady Emi, und wir danken Euch für die Besorgnis. Andererseits fragen wir uns, ob du ebenso viel Zeit darauf verwendest, das Fundament zu studieren wie die wolkenumkränz-ten Gefilde der Theorie, Philosophie und Phantasie.«
Nimm das. Emis Wangen brannten vor Scham. Natürlich kannte sie sich auch in der Geschichte aus und wusste sehr gut, dass Kutschen, Räder und Naben auf das Prächtigste dekoriert sein konnten, ohne dadurch an Funktionalität einzubüßen. »Ich bitte um Vergebung, Tono. Ich bin zu weit gegangen.«
»Nein, keineswegs. Wir wissen, dass das Volk uns den Pfau nennt. Nur Schein, kein Sein, ein Drache mit zahnlosem Maul.« Er winkte ab. »Was soll es? Haus Kurita besteht doch noch.«
Hatte der Koordinator eine subtile Betonung auf das Wörtchen >noch< gelegt? Emi hatte diesen Eindruck, und sie fühlte einen Stich im Herzen.
Er musste ihre Gefühle bemerkt haben. »Na schön, Lady Emi, lassen wir dieses Herumgerede. Der Drache hier, der Drache dort. Warum kommst du nicht... auf den Punkt?«
Sie lächelte, wie er es beabsichtigt hatte, obwohl es ihr dadurch noch schwerer fiel zu sagen, was ihr auf dem Herzen lastete. »Tono, das Kombinat hat keine Anstrengung unternommen, irgendeine seiner verlorenen Welten zurückzuerobern. Man spricht davon, der Drache sei mehr an seinem Aussehen interessiert als an seiner Ehre.«
»Das ist nichts Neues. Erzähl uns lieber etwas, das wir noch nicht wissen. Sag uns«, bat er, als sei ihm der Gedanke gerade erst gekommen, »was du von Katana Tormark hältst.«
Das überrumpelte Emi. Sie hatte sich darauf vorbereitet, über die Kriegsherren zu reden, und insbesondere über Sakamoto. Der Sohn des Koordinators hatte ihr alles darüber erzählt. Sie und Theodore Kurita verband eine besondere, private Nähe, wie sie weder der Gattin noch dem Vater möglich war. Sie sammelte sich kurz, bevor sie antwortete. »Katana Tormark ist tapfer und aggressiv. Sie hat ehrenvoll gehandelt, schon bevor sie Systeme im Namen des Drachen beanspruchte.«
Vincent Kurita lachte trocken. »Besser spät als nie. Und ihre Truppen?«
»Es wird berichtet, dass sich ihre Truppen ausgesprochen human verhalten. Das ist nur möglich, wenn dies auch fur ihre Kommandeurin zutrifft.«
»Ich stimme dir zu. Was hältst du von der Frau selbst?«
Der plötzliche Wechsel des Koordinators vom Plu-ralis Majestatis zur ersten Person entging Emi nicht, und ihre Augen wurden schmal. Das war ein deutlicher Hinweis: Schluss mit den Förmlichkeiten, komm zur Sache. »Meine ehrliche Meinung ist, dass wir es bei Katana Tormark mit einem psychologischen Flüchtling zu tun haben, einer absolut frisch Bekehrten. Ihre Mutter ist tot. Sie hat ihren Vater seit fast zwanzig Jahren nicht gesehen. Sie war einer der strahlendsten Sterne am Himmel der Republik, aber sie hat sich dem Drachen zugekehrt und ihre Loyalität Haus Kurita verschrieben.«
Der Koordinator nickte und hatte einen Finger ans Kinn gelegt. »Du hast gesagt, sie sei eine Bekehrte.«
»Richtig. Ist dem Koordinator je aufgefallen, dass nicht diejenigen zu Fanatikern werden, die in eine Religion hineingeboren wurden, sondern die neu Bekehrten? Dafür ist Tormark ein Musterbeispiel. Sie ist eine überzeugtere Draconierin als sehr viele andere hier im Kombinat. Nach allem, was uns unsere Agenten berichten, isst, trinkt, denkt und lebt sie als Samurai. Ich bin überzeugt, dass sich Tormark mit aller Gewalt bemüht, einen Platz im Universum zu finden.«
»Nur im Universum?«
»Nein. Sie ist auf der Suche nach
Weitere Kostenlose Bücher