Tochter des Drachen
der wir sind. Sie alle wissen, dass mein Vater auf Buckminster mit den Yakuza zusammengearbeitet hat. Als das bekannt wurde, verlor er seinen Besitz, sein Ansehen und - das Schlimmste von allem - seine Selbstachtung. Es hat ihn zerstört. Fast hätte ich zugelassen, dass es auch mich zerstört, weil ich glaubte, seine Schande wäre auch meine. Vielleicht habe ich mich deshalb mehr angestrengt. Ich weiß es nicht.« Seine sanften braunen Augen fixierten zuerst Fusilli, dann Crawford. »Aber kein Tag vergeht, an dem ich nicht daran denke. Und der einzige Grund, warum ich hier sitze statt irgendwo anders herumzuschleichen, ist der, dass unsere Tai-sho darüber hinweggesehen hat. Tai-sho Tormark hat mir eine Chance gegeben. Ich bin sicher, sie schaut über Chinns Fehler hinweg in deren Kriegerherz. Wir sollten ihrem Urteil vertrauen.«
Die anderen schwiegen. Selbst ich war leicht schockiert. Und verlegen. Measho neigt dazu, mich zu vergöttern. Ich vermute, es liegt daran, dass ich ihm den Panther unserer Familie geliehen habe. Es ist angenehm, so verehrt zu werden, aber eine gute
Kommandeurin darf dem kein Gewicht zumessen. Früher oder später finden die Gläubigen einen anderen Gott. »Toni ist eine gute Kriegerin. Sonst wäre sie nicht in meiner Lanze. Aber André hat recht. Hätte ich kein Interesse daran, Ihre Meinungen zu hören und abzuwägen, ich würde doch nicht danach fragen.« Ich seufzte. Ich hasse diesen Teil meiner Arbeit. »Nach Andrés Einschätzung muss ich feststellen, dass Toni an sich zu arbeiten hat, und das kann sie hier auf Proserpina nicht. Es ist notwendig, dass sie wieder den Willen entwickelt zu glänzen, und zwar nicht mir zuliebe, sondern mir zum Trotz. Es ist besser für sie, wenn wir tauschen. Measho, Sie begleiten mich zurück. Toni bleibt bei Ihnen, André.«
André wirkte wenig erfreut. Verständlich. Er fragte sich, ob ich mein Problem einfach ihm aufhalste. Alle hier waren ... nein ... sind über meine Beziehung zu Toni im Bilde. Ich hatte schon reichlich Liebhaber, beiderlei Geschlechts, aber Toni berührt meine Seele, und deshalb kann ich ihr gegenüber nicht objektiv sein. Und wenn man diese Objektivität verliert, gefährdet man alle. Er sagte: »Wenn Sie das wünschen, Tai-sho, natürlich. Sie können sicher sein, dass ich mit ihr arbeite.«
Innerlich seufzte ich erleichtert auf. »Ja, das weiß ich. Auch, dass Sie ihr nichts schenken werden. Genau das braucht sie. Wir können uns keine Schwachstelle leisten. Wir halten uns so schon nur mit den Fingernägeln über dem Abgrund.«
Einen Moment lang herrschte Stille, dann stellte
Fusilli fest: »Sie wollen vorwärts.« Er klang nicht allzu erfreut darüber.
Ich nickte. »Ich hatte nie etwas anderes im Sinn.«
Fusillis Augenbrauen näherten sich dem Haaransatz. »Ich will nicht respektlos erscheinen, aber womit genau? Wir haben jetzt schon kaum genug Menschen und Material.«
»Dessen bin ich mir bewusst. Aber Stillstand verschafft nur unseren Feinden zusätzliche Zeit, und denen, die die Schwäche anderer ausnutzen wollen.«
Measho fragte: »Ist das nicht genau das, was wir bereits tun?«
In seiner Stimme klang weder Sarkasmus noch Vorwurf mit. »Ja«, antwortete ich ohne zu zögern. Gut, ich habe lange genug gezögert, um dem Alten Meister Gelegenheit zum Eingreifen zu geben, aber er nutzte sie eben nicht. Also redete ich. »Nur dass wir im Recht sind. Ich hole bloß zurück, was ohnehin rechtmäßiges Eigentum des Kombinats ist.« Ein Jurist hätte diese Argumentation vermutlich durchlöchert wie ein Sieb. Aber Measho ist kein Jurist, und ich bin es auch nicht.
Bald darauf beendete ich die Besprechung, aber Fusilli blieb noch. Ich sah seine scharfen blauen Augen hinüber zum Alten Meister zucken, dann schaute er wieder zu mir. »Tai-sho, Sie wissen, vor den anderen würde ich mich Ihnen niemals offen entgegenstellen. Aber das kann nicht Ihr Ernst sein. Dieser Vormarsch ... intellektuell verstehe ich ihn. Aber stellen Sie sich der Realität. Sollte uns irgendwer an mehreren Fronten gleichzeitig angreifen, wären wir in ernster Gefahr.«
Also, zunächst einmal war das gelogen. Fusilli hat sich mir schon oft vor einer Menge von Leuten in den Weg gestellt. Das würden sich längst nicht alle Kommandeure gefallen lassen. Ich nehme es hin, weil er ein verdammt guter Nachrichtenoffizier ist. Aber ich vertraue ihm nicht so, wie ich André vertraue. (Andererseits, wie weit vertraue ich André wirklich? Soweit traue ich ihm:
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