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Tochter des Drachen

Tochter des Drachen

Titel: Tochter des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J.Bick
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Kühlräume, einer für Gemüse, der andere für Fleisch und Fisch, und ein Gefrierraum. Jakes Weg führte ihn zur hintersten Regalreihe. Ganz an deren Ende, in der hintersten Ecke, stand ein großes Eichenfass voller Gewürzgurken. Jake ging in die Hocke, tastete hinter das Fass und zog einen Rucksack hervor.
    Er öffnete den Sack, dann griff er sich mit einer Hand in den Nacken, zog und ... schälte sein Gesicht ab. Die Maske ließ sich nur schwer lösen, mit demselben Geräusch, das ein Stiefel machte, wenn man ihn aus zähem Schlamm zog. Sobald er sich von seinem Gesicht und den Haaren befreit hatte, drückte er mit dem Zeigefinger sein rechtes Auge heraus.
    Dann rumorte etwas. Etwas sehr Großes bewegte sich, prallte gegen etwas anderes und fluchte.
    Jake erstarrte, die blaue Kontaktlinse auf der Fingerkuppe der einen Hand, Gesicht und Haare in der anderen, die Muskeln gespannt wie eine Stahlfeder. Dann stolperte Sully James in Sicht, mit roten Augen und nach Gin stinkend.
    Sully war nicht in die Stadt gegangen. Er war auch nicht auf sein Zimmer gegangen. Er hatte sich an seinen bevorzugten Ruheplatz zurückgezogen: auf einen Kartoffel sack, hinter dem er einen privaten Vorrat an Wacholderschnaps verstaut hatte, der garantiert Haare an Stellen wachsen ließ, wo sie absolut nicht vorgesehen waren. Sully hatte eine Hand um den Hals einer Flasche geschlossen, die andere war zum Gruß erhoben, und auf seinem Gesicht stand ein breites Grinsen, das sich langsam aber sicher verabschiedete, als er Jake anstarrte, der sein Gesicht in der Hand hielt.
    »Eeeh ... eh, Momen' ... eh, Momen' mal?« Die Worte kamen ihm nur mühsam über die Lippen, und das lag nicht allein daran, dass Sullys Zunge ihm den Dienst verweigerte, sondern auch an Jakes stechendem Blick, aus einem blauen Auge und einem stahlgrauen. »Was-sh ... Wassum Teufel...?«
    Jake stopfte sich das Gesicht in die hintere Hosentasche und stieß einen Seufzer aus. »Ach, Sully«, sagte er kopfschüttelnd und schlenderte zu dem großen Koch hinüber, der immer noch in Gindämpfe gehüllt dastand. »Ich wünschte wirklich, du wärst in die Stadt gegangen.«
    Blitzartig zuckte Jakes rechte Hand aufwärts, die Finger waren starr ausgestreckt. Sie bohrten sich in Sullys Adamsapfel, und der Kehlkopf barst mit hörbarem Krachen.
    Sullys Hand flog an den Hals. Die Ginflasche fiel zu Boden und zersprang. Die Alkoholdämpfe waren so stark, dass sie Jake die Tränen in die Augen trieben. Nach Luft ringend, stolperte Sully rückwärts, knallte gegen ein Regal und ging in einem Hagel aus Konservendosen zu Boden. Er wand sich, trat mit den riesigen Füßen um sich, den Mund weit offen und schnappend wie ein Fisch auf dem Trockenen.
    Jake stand einen Moment lang über ihm, dann ging er in die Hocke. »Geh schlafen, Sully«, sagte er, nahm den Hinterkopf des Hünen in die linke Hand und packte mit der Rechten Sullys Kinn. Eine schnelle Drehung, ein Knacken, als hätte er Eierschalen zertreten, und Sully erschlaffte.
    Das Ganze dauerte keine fünfzehn Sekunden, aber Jake blieb noch ein paar Sekunden länger so hocken. Er hatte Sullys Ende so schmerzlos wie möglich gestaltet, und doch verspürte er ganz tief in seinem Inneren ein seltsames Bedauern, eine winzige, kaum wahrnehmbare Stimme in seinem Hinterkopf. »Es tut mir wirklich leid«, sagte er, und hoffte, dass Sully es hörte, wo auch immer er sich jetzt befand.
    Ein dünnes Fiepen seiner Ringuhr, und Jake wusste: Ihm blieb noch eine Stunde, bis die ersten Hilfsköche eintrafen, um das Abendessen vorzubereiten. Schnell tastete er die Kombination in das Schloss des Fleischkühlraums und zog die Türe auf. Sie öffnete sich mit einem Seufzen. Gekühlte, vage nach Blut und Fett riechende Luft schwoll ihm entgegen. In zwei langen Reihen hingen Schweine- und Rinderhälften in undurchsichtigen Plastiksäcken an Haken. Jake schob die Hände unter die Achseln des toten Kochs und lehnte sich zurück. Es kostete zunächst etwas Mühe, dann glitt Sullys Leiche über den Boden des Lagerraums, auf dem sie eine nasse Ginspur hinterließ. Sullys Augen standen noch offen, wurden aber bereits glasig, und seine Zunge hing ihm aus dem Mund. Sein Hals war sauber umgeknickt, sodass Sullys Ohr auf der rechten Schulter lag.
    Jake brauchte zehn Minuten, um Sullys Arme und Beine an den wuchtigen Leib zu binden, und weitere fünf, um ihn in Position zu bringen, auf einen leeren Plastiksack zu legen und einen Fleischerhaken durch die Höhlung an seinem

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