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Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lise Marstrand-Jørgensen
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Händen hält. Ein Triller des Flötenspielers setzt den Tanz in Gang, eine Trommel folgt dröhnend nach, und der halbnackte Mann wirbelt wieder und wieder um sich selbst. In der Dunkelheit des Saals werden seine Fackeln zu Rädern, die sich inrasendem Tempo drehen, seinen Körper und sein Gesicht umgeben und Schatten über die Gesichter der Zuschauer werfen. Benedikta ist schwindelig, und die lauten Rufe und das Klatschen steigen ihr zu Kopf. Der Feuertänzer passiert die Reihe der Bänke, in der sie jetzt wieder sitzt, er hat ein Gesicht wie ein Adler, und ein Geruch von ranzigem Fett umgibt ihn, sodass sie sich ihre Hand vor die Nase halten muss. Sie sieht Agnes, die Hildegard in ihre Kammer bringt, die Kleine hat aufgeregt rote Wangen und blanke Augen. Benedikta selbst denkt nicht daran zu schlafen, das dritte Gericht ist gerade erst hereingebracht worden, und im Festsaal flammen Fackeln und Lichter wieder fröhlich auf. Sie will sich wach halten, bis die Braut und der Bräutigam zum Brautbett geführt werden, das sie selbst mitgestaltet hat.
    »›Aber wie nun die Gemeinde sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen ihren Männern unterordnen in allen Dingen‹«, hatte Vater Cedric gesagt, als er den Segen sprach. Unter dem hohen Himmel, in der Sprache, die alle verstanden, und nicht Latein wie in der Kirche. Clementia stand mit gebeugtem Kopf neben Gerbert, der sich so aufplusterte, dass sie wie ein Kind an seiner Seite schien. Benedikta denkt an das Brautbett. Sie denkt an den goldenen Kranz um Clementias offenes Haar, an ihre Haut, die wie Sahne anmutet, und an Gerberts braun gesprenkelte Hände. Am Tisch hatte er seiner Braut einen Falken geschenkt, und obwohl Clementia verstand, welch kostbares Geschenk das war, hatte sie keine Ahnung, was sie mit dem Tier anfangen sollte. Der Vogel trug eine mit Federn verzierte und mit Juwelen besetzte Haube über den Augen und saß in seinem Käfig, als sei er aus Holz geschnitzt. Er war kreideweiß. Hildegard war von ihrem Platz aufgestanden und ganz dicht an den Käfig herangetreten. Der Anblick des dürren rotblonden Mädchens, das so ausdauernd auf den Vogel starrte, lenkte die Aufmerksamkeit der Festgesellschaft von der sprachlosen Clementia hin zu Hildegard.
    »Am Hofe Kaiser Heinrichs reiten auch die Frauen zur Falkenjagd«, hatte Gerbert gesagt und seinen Pokal in Richtung Saal gehoben. Clementia wagte es noch immer nicht, dem Blick ihres Mannes zu begegnen, lächelte aber und sah aus, als fühle sie sich ausgezeichnet an seiner Seite.
    Hildegard ließ ihren Blick zwischen dem Vogel und Gerbert hin und her wandern. Freimütig fragte sie, ob der Vogel einen Namen habe. Da lachte er sein rohes Lachen und streckte die Hand aus, um ihr den Kopf zu tätscheln. Nein, der Vogel hat keinen Namen, aber Clementia kann einen wählen, wenn sie meint, sagte er und legte den Arm um seine Braut. Danach erklärte er langweilig und weitschweifig, wie Jagdvögel aufgezogen und abgerichtet werden, wie man ihnen als Erstes den Schlaf raubt und Nahrung vorenthält, um sie gefügig zu machen, und sie hernach mit einem Küken belohnt, wenn sie getan haben, was man von ihnen verlangt.
    Hildegard hatte als Einzige aufmerksam zugehört und auch Fragen gestellt, aber obwohl Gerbert über sein Lieblingsthema sprach, war er des wissbegierigen Kindes schließlich doch müde geworden.
    Nur um es einmal zu probieren, trinkt Benedikta von dem Starkbier. Es schmeckt bitter, ruft aber ein angenehmes Gefühl in ihrem Magen hervor. Ehe sie es recht weiß, hat sie einen Becher geleert und muss sich an der Tischkante festhalten, als sie aufsteht. Draußen in der frischen Nachtluft atmet sie tief durch, und die Leichtigkeit breitet sich bis in die Fingerspitzen und die Zehen aus.
    »Nächstes Mal ist die Reihe an dir«, hatte Hildebert zu ihrgesagt, als sie mitten in Gerberts Gefolge aus Verwandten und anderen Leuten standen, zu denen er Verbindungen hatte. Lautstark erklärte er allen, die es hören mochten, dass sie vor vielen Jahren eine Absprache mit Jonas von Koblenz eingegangen waren, der aber letzten Winter am Fieber gestorben sei. Benedikta hatte von ihrem kommenden Mann und von seinem Tod zwar gehört, doch das hatte sie nicht im Geringsten berührt, da sie ihm nie begegnet war. Stattdessen fühlte sie sich zwischen all den lauthalsigen und zum Feiern aufgelegten Männern und Frauen auf dem Hofplatz wie ein gejagtes Tier. Ein gedrungener Mann, der in seinem mit Seide

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