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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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letzten Jahren hatte er keine Kraft mehr in seinem Körper.«
    »Ja, weil Gott auch ihn strafte! Und ich habe nicht gesagt, dass er die Menschen selbst tötete, jedoch ihre Opferung befahl. Dazu ist er trotz Krankheit fähig gewesen, selbst wenn er nur mehr die Lippen hat bewegen können.«
    »Rollo mag in vielem ein Heide geblieben sein«, meinte die Äbtissin, »doch sein Sohn Wilhelm ist fromm. Die Grafen der Nachbarländer sehen ihn als ihresgleichen an. Und außerdem ...«
    »Hört auf!«
    Arvid war unbemerkt zu ihnen getreten. Noch nie hatte er seine Stimme so laut erhoben, seit er sich im Kloster aufhielt. Dennoch sprach er leise, gemessen an dem Lärm, der plötzlich losbrach.
    Die Stille war in der Tat kein gutes Zeichen gewesen, sondern ließ umso schrecklicher klingen, was nun folgte: Wieder das Geräusch von Pferdehufen und obendrein das Klirren von Schwertern, wieder das Brüllen von Männern und obendrein das Zischen von Pfeilen.
    Sämtliche Nonnen kamen aus der Kirche gelaufen - und die Äbtissin sah an den geöffneten Mündern, dass sie schrien. Sie hörte es nicht, hörte nur den Schlachtlärm, und jener Lärm - so ging ihr plötzlich auf - rührte nicht davon, dass die Feinde erneut das Kloster zu stürmen versuchten, sondern dass andere hinzugekommen waren, um sie davon abzuhalten.
    Wer die feindlichen Parteien waren, wusste sie noch nicht. Sie wusste jedoch, dass es um Leben und Tod ging.

VIII.
    N ORDMÄNNERLAND H ERBST /W INTER 911
    Langsam, ganz langsam bewegte sich das Messer auf Runas Gesicht zu. Aus der Entfernung konnte Gisla nicht erkennen, was Thure plante - ob er ihr die Kehle durchschneiden oder ihr grässliche Wunden zufügen wollte, wie beim letzten Mal, als sie in seine Gewalt geraten waren. Sie wusste nur: Runa war vollkommen wehrlos, genauso wie sie, aber sie wusste auch, dass Runa das alles irgendwie ertrug, sie nicht. Sie konnte nicht aufhören zu schreien - übertönte damit zwar Thures Stimme, aber nicht diesen anderen Laut. Eigentlich war es seltsam, dass ausgerechnet dieser zu ihr drang, obwohl er noch leiser war als der ihres Peinigers. Jetzt erkannte sie, dass es die Stimme einer Frau war.
    Nicht nur Gisla fuhr herum, auch Thure. Auf Thures Gesicht breitete sich erst Überraschung aus, dann Ratlosigkeit, indes Gisla sofort wusste, dass die Frau, die schmal und bleich nicht weit von ihnen stand, jene Bäuerin war, die sie aufgenommen und die ihnen zu essen gegeben hatte. Jene Bäuerin auch, die von Taurin gezwungen worden war, sie in die Falle zu locken, und die sich dafür geschämt hatte - warum sonst hätte sie ihnen ihren Namen verschwiegen.
    »Ja«, erklärte sie eben leise, »das sind sie.«
    Gisla starrte sie fassungslos an. Sie konnte sich nicht erklären, warum dieses scheue Wesen plötzlich so furchtlos wirkte, Thures Männer hingegen in Panik gerieten und zurückwichen. Verspätet erst erkannte Gisla, dass die Frau nicht allein war und die Männer nicht vor ihr flohen.
    »Es tut mir so leid«, murmelte sie. Sie blickte erst Runa an, dann Gisla, um schließlich hinzuzufügen: »Mein Name ... ist Bertrada ...«
    Thure stieß ein Keuchen aus, von dem sich nicht sagen ließ, ob es überrascht oder entsetzt klang. Er, der Listige, war überrumpelt worden, und er schien es nicht glauben zu können. Gisla sah die Frau ... nein, Bertrada, näher kommen und mit ihr fremde Männer ... nein, Krieger, zu Fuß und auf Pferden, und sie begriff: Bertrada war bereit, sich den Nordmännern zu unterwerfen, vorausgesetzt, ihr blieb keine Wahl. Hatte sie jedoch eine Wahl, dann brachte sie fränkischen Kriegern größeres Vertrauen entgegen. Gisla glaubte jedoch keinen Augenblick, dass von jenen fränkischen Kriegern, die einen immer engeren Kreis um Thures Männer zogen und ihnen den Fluchtweg abschnitten, Gutes kommen würde.
    Jene Krieger waren keine Verbündeten.
    Und dann, wie auf ein Zeichen, griffen die Krieger Thures Männer an. Diese richteten wacker ihre Lanzen auf die Franken, aber sie zersplitterten unter den Schwerthieben der Angreifer; sie schleuderten ihre Streitäxte, aber im dämmrigen Licht verfehlten diese ihr Ziel; sie hoben ihre Schilde, die gleich barsten. Nichts Menschliches verhießen die Laute des erbitterten Kampfes - ein Rudel wilder Tiere musste ähnlich stöhnen, fauchen, knurren, heulen.
    Bertrada war nicht mehr zu sehen. Hatte sie sich irgendwo versteckt? Gisla hockte ganz steif da, nicht in der Lage, sich zu rühren, bis sie plötzlich jemand nach

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