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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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hinten riss - zwei kräftige Hände, Runas Hände, denen es irgendwie gelungen war, die Fesseln abzustreifen. Gisla kam unter ihr zu liegen, spürte die Last des sehnigen Körpers und spürte die Schilfgrashalme, die ihr in den Rücken stachen.
    Runa rollte sich von ihr herunter, blieb aber neben ihr liegen und deutete ihr an, sich zu ducken. Nur den Kopf hob sie, und Gisla sah jene Hoffnung in ihren Zügen aufblitzen, die ihr selbst abhandengekommen war.
    »Wer ... wer sind diese Männer?«, fragte Runa.
    »Ich weiß es nicht.«
    Gisla sagte nicht, dass sie es zumindest ahnte: Die edle Kleidung der Krieger und ihre Waffen verrieten nicht nur, dass sie Franken waren, sondern auch besonders vornehme. Dass sie verbotenerweise die Grenze zum Nordmännerland überschritten hatten, offenbarte, wie wichtig ihnen ihre Aufgabe war, die sie jenseits der Grenze zu erfüllen hatten. Und beides war ein Zeichen dafür, dass es niemand anderes als sie, die getarnte Königstochter war, die sie jagten. Gisla labte sich kurz an der Erleichterung in Runas Gesicht, an deren Schadenfreude auch, als sie sahen, was Thure erlitt.
    Er war überrumpelt worden. Sein Mund, eben noch höhnisch lächelnd, war jetzt schmerzverzerrt. Ein Mann hatte seine Waffe auf ihn gerichtet, und ehe er sich wehren konnte, sank er nieder. Blut spritzte auf - ausreichend Blut, dass ein gewöhnlicher Mensch an dessen Verlust sterben müsste. Gisla war sich allerdings nicht sicher, ob Thure ein gewöhnlicher Mensch war; sein vernarbtes Gesicht glich dem eines Dämons, und Dämonen kehrten immer wieder, es sei denn, man vertrieb sie - mit Weihwasser, nicht mit Schwertern. Thure war einer der Letzten, die niedergemetzelt wurden, ehe der Schlachtenlärm plötzlich erstarb.
    Runa hob ihren Kopf noch höher, Gisla tat es ihr nach. So viele lagen reglos am Boden - weit mehr als die fränkische Truppe zählte. Sie musste gut ausgebildet, stark und blitzschnell sein, um so rasch Thures Männer überwältigt zu haben ... nein, eigentlich waren es ja Taurins Männer.
    Einer von ihnen trat nun gemächlich auf die beiden Frauen zu. Runa sprang auf, packte Gisla, wollte sie mit sich zerren. Sie war noch nicht auf ihre Beine gekommen, als die Krieger sie schon umkreist hatten wie zuvor Thures ... Taurins Männer. Sie wurden zurückgestoßen und fielen erneut ins Schilfgras, das, da die Nacht die letzten grauen Fäden der Dämmerung verschluckt hatte, schwarz anmutete.
    Schwarz schien auch das Gesicht des Mannes zu sein, der sich nun über sie beugte - zumindest sah Gisla kaum mehr als einen Schatten. Runa beachtete er nicht.
    »Gisla«, sagte er schlicht.
    Sonst nichts.
    Seine Stimme verriet, dass er lächelte, dass er sich freute, Gisla zu sehen, er musste sie kennen. Doch es war ein böses Lächeln, schadenfroh wie ihres, als sie Thure hatte fallen sehen. Und noch etwas anderes entnahm sie seiner Stimme: Befriedigung. Dergleichen hatte sie einmal im Gesicht des Vaters gesehen, als er von der Wildschweinjagd wiedergekehrt war und stolz verkündet hatte, der Keiler sei tot.
    Nun war sie das gejagte Tier. Und dieser Mann würde sich rühmen, es erlegt zu haben.
    »Wer ... wer bist du?«, stammelte sie.
    »Adarik.«
    Er beugte sich noch tiefer über sie. Der Mond schob sich hinter den Wolken hervor, und sie meinte zu erkennen, dass sein Backenbart rötlich war, der Helm auf dem Kopf aus Bronze. Seine Hände glichen Bärenpranken.
    »Ich ... ich kenne diesen Namen nicht ...«, stammelte Gisla - als böte es Schutz vor einem Mörder, seinen Namen nicht zu wissen.
    »Nun«, er lächelte, »den meines Vetters kennst du besser.«
    Der Name hallte in Gislas Ohren, ehe Adarik ihn aussprach. Sie hatte die ganze Zeit über geahnt, dass die Männer von ihm geschickt worden waren, dennoch erschauderte sie nun. Der Name verhieß ein Todesurteil.
    »Hagano.«
    Jenen Mann, der Adarik hieß und Haganos Vetter war, drängte nichts zur Eile. Eine Weile blieb er über Gisla gebeugt stehen, dann richtete er sich wieder zu ganzer Größe auf. Zugleich wurde sie von zwei Männern gepackt und hochgezogen. Gisla konnte sich nun kein bisschen mehr bewegen, lediglich den Kopf wenden, um nach Runa Ausschau zu halten. Sie sah sie nicht, nur die Leichname. In der Dunkelheit sahen sie aus wie Steine.
    »Warum ...«, setzte Gisla an.
    »Hagano konnte keine eigene Truppe über die Epte schicken«, erklärte Adarik, »mich hingegen schon.«
    »Aber wenn Rollo ...«
    Auch den zweiten Satz konnte sie nicht zu

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