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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Ferne die Pferde gehört hatte, die sich ihm näherten, hatte er geahnt, dass er sterben würde. Nun, da die Pferde in einem Kreis um ihn herumstanden, war er sich dessen sicher - und empfand es als ungerecht. Warum ereilte ihn ausgerechnet jetzt Remigius' Strafe? Er hatte seinen Männern zwar befohlen, Thure zu den Frauen zu folgen, er selbst hatte sich aber entschlossen, zurück- und darum fernzubleiben, wenn das Blut der fränkischen Prinzessin floss.
    Und diesmal würde es fließen. Diesmal würden seine Männer sie nicht einfach nur ins Wasser stoßen, sondern sich überzeugen, dass kein Leben mehr in ihrem Körper war.
    Zu seinem Erstaunen blieben die fremden Krieger auf ihren Pferden sitzen, und er starb nicht. Adarik schirmte seine Augen mit den Händen ab, um sich vor der Sonne zu schützen.
    »Wer ... wer seid ihr?«, fragte er und erhob sich rasch.
    Einer der Männer sprang vom Pferd, deutete erst auf sein eigenes, dann auf Adariks Schwert. Dass die Waffen gleich groß und gleich schwer waren, wies die beiden Männer als seinesgleichen aus. Die Reiter waren Franken.
    Wie merkwürdig, dachte Adarik. Wir erkennen uns nicht an einem Gruß, einem Lächeln, einer Geste, sondern an unseren Waffen.
    »Wir kommen aus Laon. Hagano schickt uns ...«, erklärte der Mann.
    Adarik atmete hörbar aus. »So wie er einst mich und die Meinen geschickt hat«, sagte er. »Wir wären längst ins Frankenreich zurückgekehrt, aber wir wurden über Monate gefangen gehalten. Auf jeden Fall - der Auftrag, den Hagano mir erteilt hat, ist erfüllt.«
    Oder würde es noch in der nächsten Stunde sein, setzte er still hinzu.
    »In Wahrheit sind wir hier, um eben das zu verhindern«, erklärte der Mann.
    Adarik riss die Augen auf. »Sie ... sie soll leben?«
    Ihm war nie wohl bei dem Gedanken gewesen, Gisla zu töten - weder damals, als er sie ins Meer hatte werfen lassen, damit sie dort ersoff, noch heute, als er seine Männer mit Thure losgeschickt hatte. Dennoch regte sich nun ein befremdendes Gefühl - Empörung.
    Wie erbärmlich, nichts weiter als ein Spielball in der Hand eines wankelmütigen Mannes zu sein, der sich einmal aufs Töten, einmal aufs Lebenlassen verlegte! Sein Leben lang hatte er das Schwert geführt, weil andere es so befahlen, doch nun deuchte es ihn als Zumutung, dass er auf dieser Welt, wenn sie schon ein grässlicher, grausamer Ort war, nicht einmal den geraden Weg gehen durfte, sondern zum Zickzack gezwungen war.
    »So ist es«, erklärte der andere, »wir sollen Gisla, so wir sie finden, zurückbringen.«
    Da erst vertrieb Triumph den Anflug von Empörung. Auch wenn Hagano seine Meinung offensichtlich geändert hatte - die Dinge nahmen trotzdem ihren Lauf.
    »Ihr kommt zu spät«, erklärte er. »Viel zu spät. Gisla ist längst tot. Macht euch keine Mühe, noch länger nach ihr zu suchen.«
    Er zögerte kurz, dann entschied er sich, dass er lange genug im Nordmännerland gewesen war. »Ich begleite euch gerne zurück nach Laon, um Hagano persönlich zu berichten, was geschehen ist.«
    Der Schmerz war wie eine Schlange.
    Zuerst rollte sie sich zu einem Knoten zusammen, kalt und hart wie Stein, dann wuchs sie, sodass Gisla dachte, ihr Leib würde platzen. Zuletzt streckte sich die Schlange und verspritzte ihr Gift. Der Schmerz kroch vom Kreuz hoch zum Hals - er war nunmehr einfach überall. Gisla keuchte, stöhnte, schrie. Thures Gesicht, an das sie all die Monate nicht hatte denken wollen, stieg vor ihr auf. Er selbst, nicht bloß sein Kind schien auf ihr zu hocken, einzig dazu da, sie zu quälen, über sie zu spotten und über sie zu lachen. Er wand seine Arme um sie, erdrückte, erstickte sie - nur das Kind herauspressen, das konnte er nicht.
    »Du darfst nicht aufgeben, du schaffst es.«
    Runas Stimme war beschwichtigend und warm wie nie, besorgt und mitleidig auch; sie zeigte all die Gefühle, die sie in den letzten Monaten nie gezeigt hatte, hockte ganz nah bei ihr und hielt ihre Hand fest umklammert. Tränen schossen aus Gislas Augen - weil jene Kluft nicht mehr zwischen ihnen stand, aber Freundlichkeit und Liebe nicht reichten, um die Schmerzen zu mindern.
    »Du musst ruhig atmen!«, befahl Runa, und Gisla versuchte zu gehorchen.
    »Und du musst sitzen!«, rief Runa und zog Gisla hoch. »Die Frauen bei uns gebären die Kinder im Sitzen ...«
    Ihre Stimme war nicht mehr nur warm, sondern auch unsicher. Es schien das Einzige zu sein, was sie von Geburten wusste, und es war viel zu wenig.
    Gisla wollte

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