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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Julia Kröhn
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seinerseits auszukleiden, nicht ruhelos wie sie, sondern langsam, fast bedächtig. Sie wandte sich ab, versank wieder im Wasser. Als sie auftauchte, sah sie, dass Taurin ihr ins Wasser gefolgt war. Sie schwamm ein Stück weg, dann auf ihn zu, kam ihm jedoch nicht nahe genug, um seinen Körper zu spüren, der im schwindenden Licht so dunkel schien.
    Als sie aus dem Meer stiegen, wurden ihre Körper vom letzten Sonnenlicht des Tages in Bronze getaucht. Taurin hatte seinen Lendenschurz nicht abgelegt. Er beeilte sich nicht, sich wieder anzukleiden, und sie beeilte sich nicht, wegzuschauen. Sein Körper war muskulös und sehnig und strafte Thure Lügen, der einst über die Christen gespottet hatte, sie wären so schwächlich wie ihr Gott. Am Ende war dieser Christ stark genug gewesen, ihn zu töten.
    Als sie den Strand erreicht hatte, fühlte Runa die Wärme der Sonne vom Boden aufsteigen - und sie fühlte Taurins Wärme - die Wärme seines Körpers, der nun dicht hinter ihrem stand.
    »Was willst du nun tun?«, fragte sie, ohne sich zu ihm umzudrehen.
    »Ich bin frei«, murmelte er. »Aber es hat keine Bedeutung. Für mich nicht. Für niemanden.«
    »Doch.« Sie spürte, wie das Wasser über ihre Brüste lief, und sie spürte, wie sein Blick darauffiel, als sie sich nun doch umwandte. »Ohne deine Hilfe wären wir alle tot. Auch das Kind.«
    »Du hast es gerettet. Nicht ich.«
    »Wir haben beide getötet. Und somit haben wir beide das Leben des Kindes gerettet.«
    Nur ein Hauch trennte sie noch. Würden sie diese letzte Distanz überbrücken, würden sie einander berühren? Schließlich taten sie es und lösten sich nicht mehr voneinander.
    Runa verbannte all ihre Gedanken. An nichts, an gar nichts wollte sie denken. Nur fühlen wollte sie sie - die Macht des Lebens.
    Alle Kraft schien aus ihr herauszufließen. Ihre Knie bebten, ihre Haut erzitterte, ihre Regungen wurden langsam. Mit der Kraft schwanden die schmerzlichen Erinnerungen, der krampfhafte Hunger nach Leben, die stete Sorge um die Zukunft, die Sehnsucht nach dem Zuhause. Es perlte von ihr ab wie das Meerwasser von ihrer Haut oder entwich unsichtbar wie der Atem aus ihrem Mund. Sie hob die Arme, legte sie um Taurin, fühlte seinen festen, warmen Körper, fühlte ihre Haut auf seiner, und alles war leicht. Der Boden unter ihren Füßen schien nicht länger steinig. Sie schien zu schweben - schwebte immer höher bis zum Himmel.
    Am Beginn der Welt hatten die Sonne und der Mond dort ziellos ihre Bahnen gezogen, doch die Götter hatten den beiden zwei Wölfe zur Seite gestellt, und die Wölfe lenkten sie auf den Weg, den sie zu gehen hatten. Irgendetwas lenkte jetzt auch sie. Es war so selbstverständlich, was sie taten und warum, so selbstverständlich, ihre Hand zu heben und über sein Gesicht zu streichen, so selbstverständlich, ihre Wange an die seine zu schmiegen. Der Schmerz schwand hinter dem köstlichen Gefühl, als sie ihre Lippen auf seine presste und ihn schmeckte.
    Taurin wusste, dass es eine Sünde war, aber als er Runa hielt und spürte und küsste und streichelte, kamen ihm keine Worte in den Sinn, die dieses Tun verurteilten, sondern nur solche, die ihn drängten, damit nicht aufzuhören, Worte aus der Heiligen Schrift, der Bibel, die er in all den Jahren nicht ausgesprochen hatte - genauso wie er, nicht länger künftiger Mönch, sondern Sklave der Nordmänner, keine Messe mehr mitgefeiert hatte. Das Hohelied Salomons war es, das seinen Geist erfüllte, und seine Art, es nach all den Jahren zu beten, war eine nie erprobte: Er betete nicht mit Worten, er betete mit seinem Körper, der sich an den Runas presste.
    Die Liebe ist besser als Wein ... Ja, so wirkte Wein, so heiß, so berauschend, so auf der Zunge kitzelnd. Ich bin schwarz, die Sonne hat mich verbrannt ... und dennoch bin ich eine Seele, die liebt. Ja, er war nicht zu zerstört, nicht zu verhärtet, nicht zu erstarrt, um ihren heißen Atem fühlen zu können.
    Jenes Gefühl, ganz leicht zu sein und direkt in den Himmel aufzusteigen, schwand wieder. Runa kehrte zurück auf die Erde, doch die Erde bestand aus nichts weiter als Taurins warmen Armen. Sie spürte den Boden, auf den sie sanken, nicht. Sie wusste, dass sie auf Sand und Steinen lagen, doch es roch nach Erde, nach fruchtbarer, lebensspendender Erde. Vielleicht roch nicht der Boden so, sondern seine Haut. Seine Härchen hatten sich in der kalten Luft aufgerichtet; sie wärmte ihn, indem sie seine Haut mit Küssen übersäte. Als
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