Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
lustvollen Aufbäumen, Seufzen und Stöhnen in viele kleine, schimmernde Funken.
    Die Worte erstarben in ihm. Er konnte nichts mehr denken, konnte nicht mehr beten, konnte sich ihr nur gleichermaßen hingeben, wie sie sich ihm hingab. Er war nicht mehr Herr seines Körpers, zuckte, zitterte, wand sich. Etwas in ihm zerbrach, und etwas in ihm wurde heil. Er bäumte sich mit einem Aufschrei auf, schloss die Augen, sah Schwärze und dachte, dass es die Schwärze des Todes sein müsste. Doch die Schwärze war nicht tief und nicht kalt, und als er die Augen aufschlug, lebte er immer noch, und sie lag immer noch unter ihm. Er senkte sein Gesicht in ihr Haar. Vielleicht war er tatsächlich gestorben, aber - die Gedanken kehrten in den leeren Geist zurück - aber ... stark wie der Tod ist die Liebe.
    Sein Körper lag schwer auf ihrem, sie spürte die Last nicht, spürte nur das Nachbeben der wohligen Schauer. Sie streichelte über seinen Nacken, über seinen Rücken, über sein Haar. Als er sich von ihr löste, blieben sie nebeneinanderliegen und sahen in den Himmel. Mond und Sonne standen kurz vereint am Himmelszelt. In der Ragnarök fielen sie vom Himmel und wurden von den Wölfen gefressen. Doch die beiden hatten geahnt, was kommen würde. Rechtzeitig hatten sie eine neue Sonne und einen neuen Mond gezeugt, und diese neue Sonne und der neue Mond würden in einer neuen Welt wiederauferstehen.
    Als die Nacht endgültig kam, richtete Taurin sich auf. »Ich kann nicht bleiben«, murmelte er, »ich kann nicht sterben, ohne Lutetia noch einmal gesehen zu haben.«
    Sie zog ihre Knie an sich, ihr Körper war ausgekühlt. Das neue Leben war wieder das alte.
    »Ich weiß«, erwiderte sie und stand auf. »Ich muss nach Gisla und dem Kind sehen.«

K LOSTER S AINT -A MBROSE IN DER N ORMANDIE H ERBST 936
    »Nein!«, schrie Arvid wieder.
    Sie hörte ihn nicht. Als sie Taurin das Messer entgegenschleuderte, auf jene Art, wie Runa es ihr einst gezeigt hatte, schien Arvid verschwunden.
    Wir oder sie, hatte Runa einst gesagt.
    Ich oder er, ging es ihr jetzt durch den Kopf. Und dass es in einer Welt, in der von zweien nur einer leben darf, im Augenblick vor der Entscheidung, welcher es ist, nur diese beiden gab, sonst niemanden.
    Taurin wich nicht zur Seite, starrte sie nur an, und die Verachtung wandelte sich in Ungläubigkeit, der Hohn in Verwirrung. Zumindest glaubte sie später, dass das so gewesen war. In Wahrheit ging alles so schnell, dass er in dem Glauben getroffen worden sein musste, sie könne ihn nicht treffen.
    Doch sie traf.
    Der Griff des Messers ragte aus der Brust, dort, wo das Herz schlug; die Klinge hatte sich ihren Weg durch Kleidung und Haut und Fleisch gebahnt. Er fiel nicht gleich, stand erst noch starr, sackte dann in die Knie - tödlich getroffen zwar, aber nicht fähig, schnell zu sterben. Noch rang er nach Luft, dem Klang nach mehr Gelächter als ein Hilferuf.
    Dann übertönte ihn Arvids neuerlicher Ruf: »Nein!«
    Im nächsten Augenblick hockte Arvid bei Taurin, fing den blutenden Leib auf, hielt ihn kurz in den Armen und ließ ihn dann sachte auf den Waldboden sinken.
    Gisla ließ ihre Hand sinken. Sie fühlte sich leer an, als hätte sie all die Jahre, Jahrzehnte nicht gebetet oder geschrieben, sondern stets ein Messer gehalten, um zu töten.
    »Flieh vor ihm!«, rief sie Arvid zu, gewiss, dass Taurin noch im letzten Atemzug versuchen würde, Leid über sie zu bringen.
    Doch Arvid floh nicht, sondern beugte sich tief über das alte, welke Gesicht. Sie hörte nicht mehr, dass Taurin nach Luft rang, aber noch hob und senkte sich seine Brust.
    »Geh weg!«, rief Gisla. »Er kann noch gefährlich sein, er ...«
    »Du hältst ihn für meinen Feind?« Arvids Augen, so oft schamvoll vor ihr gesenkt, richteten sich brennend auf sie. »Du denkst, dass ich vor ihm geflüchtet bin, dass er mich verwundet hat?«
    »Natürlich!«, rief Gisla, und jetzt erst begann ihre Hand zu zittern, und ihre Knie wurden weich. »Alle anderen Feinde sind tot.«
    »Und auch alle, die mich beschützen könnten! Er war der Einzige, der es noch tat.« Er deutete auf die Toten. »Die fränkischen Krieger ... niemand anderer als er hat sie getötet.«
    Gisla wusste nicht, was an seinen Worten aberwitziger war - dass Taurin sie allein getötet oder dass ausgerechnet er es getan hatte.
    »Nicht er ist mein Feind«, fuhr Arvid fort, »nicht er, sondern ... der König hat es auf mein Leben abgesehen.«
    »Welcher König?«, fragte Gisla
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher