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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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wäre es wohl«, schlug sie vor, »du würdest an seiner statt mit dem Bischof von Reims reden.«
    Der Bischof von Reims war ein mächtiger Mann, und Reims lag nicht weit von Laon entfernt. Allerdings hatte auch er die Hochzeit Gislas mit Rollo befürwortet.
    »Ich ... ich kann ihm einen Boten schicken«, schlug Begga vor, als Gisla noch fieberhaft nachdachte.
    Gisla nickte. »Aber zuvor ... du musst die Frau befreien lassen. Sie heißt Runa. Sie hat mich gerettet und ...«
    Begga zog Gisla an sich. Die Umarmung fiel nicht ganz so inniglich aus wie zuvor, der Griff erschien Gisla nicht zärtlich, sondern hart, und jener fleischige, weiche Leib verhieß keinen Trost, sondern nur das Verbot, noch mehr zu sagen.
    »Hab Geduld, dann fügt sich alles«, murmelte Begga, ohne auf Runas Bitte einzugehen. »Fürs Erste müssen wir deine Wunde versorgen. Und dann bekommst du Kleider und etwas zu essen.«
    In den nächsten Stunden verloren Gislas Sorgen an Gewicht. Ungleich größer als diese war das Labsal, nicht mehr frieren und hungern zu müssen.
    Begga hatte sie zwar nicht in die Thermen gebracht, um sie im Zuber zu waschen, aber ihren Körper mit einem feuchten Tuch abgewischt, die Wunde mit einem streng riechenden Kräutersud betupft und frisch verbunden. Es hatte wie Feuer gebrannt, aber nach der Kälte der letzten Tage dünkte Gisla dieses Feuer erträglich. Begga hatte ihr mit einem Hornkamm die Haare gekämmt, die hinterher zwar immer noch strähnig und eher schmutzig grau als blond waren, aber in denen nicht länger Ästchen und Moos hingen. Von allen Wohltaten die größte war es schließlich, neu eingekleidet zu werden: Gisla legte mehrere Unterkleider übereinander an, allesamt schlicht, aber sauber und ohne Flicken. Als Kopfbedeckung wählte Begga eine Vitta, auch diese nicht sonderlich vornehm, weil nicht aus Seide, sondern gleichfalls aus Leinen, aber weich und glatt.
    Zuletzt ließ Begga sie zurück, um etwas zu essen zu holen - und erst jetzt hatte Gisla die Muße, sich in dem Raum, in dem sie sich befand, umzublicken und die Einrichtung zu studieren. Sie war sehr schlicht, gemessen an ihrem einstigen Gemach, fehlten doch weiche Daunenkissen auf dem Bett und ein steinerner Kamin, aber doch behaglicher als die verschmutzten Häuser der Unfreien. Die Fenster waren mit dicken Stoffstücken verschlossen; anstellte von Tageslicht wurde der Raum von Öllampen erhellt, die von der Decke hingen. Neben dem Bett gab es ein kleines Tischchen, drei Holzschemel darum herum und eine Truhe aus Eichenholz. Es musste der Raum sein, kam Gisla zu dem Schluss, in dem Begga lebte, seit sie nicht mehr am Fußende ihres Bettes schlief.
    Als Begga mit dem Essen wiederkam, gelang es Gisla nicht, ihre Gier zu zügeln. Sie schüttete den warmen Birnenmost in sich hinein und verbrannte sich danach die Zunge an der Suppe, die mit Wein vermischt war und in der Brotwürfel schwammen. Der Schmerz war nichtig, gemessen an dem Gefühl, wieder satt zu werden. Lange hatte sie nichts mehr gegessen, was so stark gewürzt war, und nicht nur die Hitze drohte ihre Zunge zu versengen - auch der überwältigende Geschmack nach Pfeffer, Kümmel und Koriander. Nach einigen Bissen drohte ihr entwöhnter Magen zu rebellieren. Doch trotz der Übelkeit konnte Gisla nicht aufhören zu essen. Auf die Suppe folgte eine Gänsekeule, schon kalt und etwas zäh, aber in jedem Fall gebraten und nicht roh.
    Erst als sie satt war, konnte Gisla wieder reden.
    »Runa«, brachte sie nach dem letzten Bissen hervor. »Weißt du schon, was sie mit Runa gemacht haben? Sie muss auch neue Kleidung bekommen und etwas zu essen!«
    Begga strich ihr über die Wange. Es war beschwichtigend, gar zärtlich gemeint, wirkte aber fahrig, und die Hand zitterte wie die Stimme, als sie erklärte: »Ich kümmere mich darum, du hingegen solltest schlafen.«
    »Aber diese Männer, die sie mit sich gezerrt haben, haben ihr womöglich Gewalt angetan!«, rief Gisla entsetzt. »Begga, du musst dafür sorgen ...«
    »Aber ich sorge doch dafür!« Begga streichelte sie nicht länger, sondern trat von ihr zurück, den Kopf nunmehr wieder geduckt. »Ich werde nach ihr sehen, und ich werde dem Bischof von Reims die Botschaft übermitteln lassen, dass du in Laon bist. Du ruhst dich aus, Gisla, und wenn du erwachst, ist alles gut.«
    Ohne ein weiteres Wort ließ sie Gisla allein. Anders als früher geleitete sie sie nicht zum Bett und deckte sie zu, und ob dieses Mangels an Fürsorge lag das eben noch

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