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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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und Marga war auch Ava hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, sofort aufzubrechen, um den feindseligen Hamburgern für eine Weile zu entkommen, und dem Drang, Einspruch zu erheben. »Und … und was ist mit Walther und Godeke? Was sagen sie zu deinem Plan?«
    »Sie wissen noch gar nichts davon«, gestand Ragnhild frei heraus und erntete fragende Blicke. »Ich weiß genau, dass dieser Vorschlag plötzlich kommt und dass er viel Mut erfordert. Schließlich käme die Umsetzung einer Flucht gleich, und das ließe uns alle verdächtig erscheinen. Aber ich sage euch, es ist die richtige Entscheidung. Wir können nicht länger eingepfercht in diesem Haus leben. Bei Hildegard wären wir sicher, und wir wären frei. Gleich morgen werde ich Walther und Godeke von Hildegards Einladung erzählen – das heißt natürlich, wenn ihr meine Meinung teilt, dass es das Beste wäre, vorerst die Stadt zu verlassen.«
    Die Frauen sahen einander an und warteten darauf, dass eine die Entscheidung traf, die keine von ihnen alleine treffen mochte.
    Eindringlich wandte sich Ragnhild an Ava. »Denk doch mal nach. Die Feindseligkeiten gegen uns werden immer schlimmer. Selbst dein Bruder Helprad und dein Vater Fridericus von Staden wollen dich nicht mehr empfangen. Was hält dich noch hier?« Dann ging sie auf Runa zu und nahm sie bei der Hand. »Und du, meine Tochter. Denk an deine Kinder. An die geborenen und die ungeborenen. Fürchtest du nicht um ihre Sicherheit?«
    Runa sah zu Freyja und Thymmo. Stumm und mit großen Augen saßen sie da und blickten zwischen den Frauen hin und her. Sie verstanden ganz offensichtlich nicht, was hier vor sich ging. Der bloße Gedanke daran, dass ihnen etwas widerfahren könnte, schnürte Runa die Luft ab. Wie von selbst hatte sie die freie Hand auf ihren Bauch gelegt. Ihre Mutter hatte recht. Es wäre töricht, aus falschem Stolz ihre Kinder und sich selbst zu gefährden. Ein Blick in die Augen der anderen Frauen, die nun langsam zu nicken begannen, bestätigte sie in ihrem Entschluss. »Also gut, Mutter. Sprich du morgen mit Walther. Wenn auch er einverstanden ist, wird es wohl das Beste sein, eine Weile bei Hildegard unterzukommen.«
    Johannes war froh, dass er stets eine passende Ausrede hatte, um sich mit Vater Everard zu treffen. Schließlich konnte Ragnhild ihrer Magd nicht verwehren, zur Beichte zu gehen. Dennoch war er jedes Mal sehr aufgeregt, wenn er sich mit dem unheimlichen Geistlichen traf. Er wusste nicht so recht, was er von ihm zu halten hatte, konnte ihn nicht einschätzen. Dennoch führte er seine Befehle stets willenlos aus, denn eines hatte er schon lange verstanden: Vater Everard wollte den von Holdenstedes Böses, und das allein war Grund genug, ihm zu helfen.
    Der Geistliche hatte einen Plan, den er gnadenlos verfolgte und für dessen Ziel er sich der Magd bediente. So waren sie zu einer Einheit geworden – Everard befahl, und Johannes führte aus. Bereits seit geraumer Zeit ging das nun schon so. Und nach der Erfüllung eines jeden Auftrags versicherte der Priester der Magd stets wortreich, dass der Tag, der das Leben aller im Hause verändern würde, immer näher rückte. Lange hatte Johannes nicht gewusst, was genau er damit meinte, bis Everard ihn schließlich eingeweiht hatte. Und der Plan war mindestens ebenso dämonisch wie gut!
    Johannes stieg die Treppe hinauf – wohlwissend, dass alle Frauen des Hauses in der Küche versammelt waren und er mit dem Beichtvater ungestört sein würde. Er hatte kaum angeklopft, da erscholl es laut aus der Kammer: »Komm herein!«
    Johannes schloss die Tür hinter sich und trat näher an den Priester heran. Seine Augen mussten sich erst an die Dunkelheit in der Kammer gewöhnen. Die Luke an ihrem Ende war mit einer morschen hölzernen Lade verschlossen. Sonnenlicht strahlte durch die feinen Risse und erhellte den Staub, der in der Luft tanzte. Johannes kniete dicht vor dem Geistlichen nieder, so dicht, dass dieser im Flüsterton zu ihm reden konnte.
    »Hast du all die Sachen zusammen, die du besorgen solltest?«
    Johannes nickte und übergab seinem Beichtvater einen Beutel, den er aus seinen Rockfalten hervorzog.
    Vater Everard öffnete ihn und schaute hinein, um den Inhalt zu überprüfen. Dann nickte er zufrieden. »Du hast mir gute Dienste erwiesen, Magd Johanna. Gott wird es dir danken.« Mit stoischer Ruhe legte er seine Hand auf Johannes’ Kopf. »Du weißt, was du bis übermorgen noch zu tun hast?«
    Johannes nickte wieder. Um dem

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