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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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Priester zu zeigen, dass er einen der zwei Aufträge schon erledigt hatte, entblößte er seine Arme, die über und über mit blutigen Kratzern übersät waren.
    »Sehr gut.« Vater Everard atmete tief ein und wieder aus und lehnte sich zurück. Ein boshaftes Lächeln umspielte seine Lippen. Die Hände, welche den Beutel der Magd fest umschlossen, ballten sich langsam zu Fäusten. Kleine Speicheltröpfchen flogen aus seinem Mund, so wütend spie er die nächsten Worte aus: »Nur noch zwei Tage, Magd. Dann endlich wird Gott wieder Einzug in dieses Haus halten und diesen Sündenpfuhl ein für alle Mal ausheben. Am Fest zur Fertigstellung des Hamburger Krans bin ich mir vieler Augen und Ohren gewiss. An diesem Tage werde ich dafür sorgen, dass die ketzerischen Weiber der von Holdenstedes und von Sandstedts …« Plötzlich hielt der Priester inne. Die Magd zu seinen Füßen hatte ihn angetippt und somit seinen leidenschaftlichen Wortschwall brüsk unterbrochen. »Was ist denn noch?«, fragte er unwirsch.
    Johannes hatte sich schon viele Tage lang darüber Gedanken gemacht, wie er dem Geistlichen beibringen sollte, was er wünschte. Doch ihm war nichts Rechtes eingefallen – schließlich galt er als stumm und konnte nicht einfach sagen, was er auf dem Herzen hatte. Es musste auch anders gehen. Johannes stand auf und begann sich dem Priester mit Gesten mitzuteilen. Mit steifen Beinen ging er durch die kleine Kammer – genau so, wie es Agnes seit ihrer Verbrühung tat. Immer wieder wies er dabei auf seine Beine.
    Zunächst schien der Geistliche nicht zu verstehen, doch dann klatschte er einmal in die Hände und sagte: »Du meinst die lahme Magd, oder?«
    Johannes nickte eifrig.
    »Was ist mit ihr? Was versucht du mir zu sagen? Ist auch sie eine Sünderin?«
    Geschwind hob Johannes beide Hände, machte eine abwehrende Bewegung und schüttelte heftig den Kopf, um seinem Beichtvater zu verstehen zu geben, dass eher das Gegenteil der Fall war.
    »So, so. Deine Freundin liegt dir also am Herzen, ja? Und sie ist ganz sicher nicht ebenso irregeleitet wie ihre Herrschaft?«
    Wieder verneinte Johannes so inbrünstig, wie es ihm nur möglich war.
    »Nun gut, ich habe verstanden. Du willst also, dass sie verschont bleibt, ja?«
    Johannes nickte erneut.
    Der Geistliche setzte ein gönnerhaftes Gesicht auf und sprach: »Gütig, wie ich bin, werde ich dir deinen Wunsch gewähren. Aber nur unter einer Bedingung, Magd Johanna: Wenn du mir hilfst, meine gottbefohlene Pflicht auszuführen, soll deiner Freundin nichts geschehen. Wenn du aber scheiterst, dann wird die Magd Agnes das gleiche Schicksal ereilen wie die Gottlosen unter diesem Dach. Hast du mich verstanden?«
    Johannes fuhr der Schreck in alle Glieder. Er wusste, dass sein Gegenüber es ernst meinte. Jetzt war es umso wichtiger, dass sein Plan gelang, denn um nichts in der Welt wollte er, dass Agnes etwas zustieß.
    »Und nun knie nieder, damit ich dir deine Beichte abnehmen kann«, befahl Vater Everard mit lauter Stimme, sodass es mögliche Zuhörer vor der Tür ebenfalls vernehmen konnten. »Da du mir deine Sünden nicht sagen kannst, wirst du wie immer zehn Ave-Maria beten. So viele Male, wie du Finger an den Händen hast.«

4
    Obwohl es gegen Walthers Ehrgefühl ging, feige aus der Stadt zu fliehen, hatte er dennoch sofort in Ragnhilds Plan eingewilligt. Seine Angst um die Sicherheit von Frau und Kindern überwog. Und auch wenn er es sich eigentlich nicht eingestehen wollte, wäre er sogar ein wenig erleichtert, wenn sie alle fort waren. Er wollte seine Familie in Sicherheit wissen, doch vor allen Dingen wollte er Runa aus den Augen haben.
    Seit dem Abend, an dem Freyja unfreiwillig vor der ganzen Familie gestanden hatte, dass Runa und Johann Schinkel im Pferdewagen miteinander gesprochen hatten, war die zart aufglimmende Leidenschaft zwischen den Eheleuten wieder erloschen. Mehr sogar – es schien, als hätte es sie niemals gegeben. Walther konnte seiner Frau nicht mehr trauen. Sie hatte ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, belogen, als er sie nach der Wahrheit gefragt hatte, und das musste einen Grund haben. Walther wagte gar nicht erst weiterzudenken. Was konnte er seiner Frau nun noch glauben? Für ihn stand die Antwort fest: nichts! Dieses Gefühl war fast schlimmer für ihn als die offensichtliche Tatsache, dass sie Johann Schinkel noch immer liebte.
    Doch wie es um sie beide als Eheleute auch stehen mochte, es war seine Pflicht, dafür zu sorgen, dass sein Weib und

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