Tochter des Ratsherrn
zur gräflichen Residenz Hamburgs – dem Kunzenhof. Mit ihrer bloßen Anwesenheit wollten sie dem jeweiligen gegnerischen Grafen die Macht des eigenen Grafen aufzeigen, doch ihre Anwesenheit brachte zahlreiche Probleme mit sich. Die Männer waren streitsüchtig, und sie waren hungrig. Es kostete den Rat viele Silbermark, die großen Gefolge der Fürsten zu verköstigen. Vorräte, die eigentlich für die Bürger gedacht waren, wurden regelrecht geplündert, was wiederum die einfachen Leute aufbrachte.
Erst als ein Aufstand kurz bevorstand, wurde verkündet, dass tatsächlich eine Entscheidung gefallen sei, und zu Ehren dieser frohen Botschaft sollte es ein rauschendes Fest geben. Fast schien es, als hätten die Grafen es darauf abgesehen, die reicheren Hamburger mit diesem Mahl wieder etwas gnädiger zu stimmen – auch wenn die einfachen Bürger dafür hungern mussten. Denn eines war klar: Egal, wer die Nachfolge antreten mochte, die Grafen waren weiterhin auf die Einkünfte der Stadt angewiesen, und diese wurden größtenteils von den Ratsherren und Kaufleuten erbracht.
Das Fest sollte unüblicherweise nicht im Rathaus, sondern auf dem Kunzenhof stattfinden. Der gräfliche Versammlungssaal mit all seinen Gemälden, von denen die schauenburgischen Ahnen herabblickten, erschien dafür ideal.
Der Kunzenhof befand sich südlich des Beginenklosters und bestand aus etlichen Häusern an der Steinstraße und mindestens doppelt so vielen Buden. Der Hof wurde dominiert von einem großen Steinbau, der komplett von einem Graben umgeben war. Durch den Hof führte eine schmale, abschüssige Gasse zur Niedernstraße, welche die Altstädter Fuhlentwiete genannt wurde. Seitdem verkündet worden war, dass ein Fest stattfinden würde, rollten nahezu unaufhörlich neue Ochsenwagen, beladen mit dicken Weinfässern und Käfigen voller Hühner und Schweine durch das Jacobi-Kirchspiel zu den Kellergewölben des Kunzenhofs. Die unzähligen Diener und Mägde flitzten atemlos zwischen den Häusern und Buden des Platzes hin und her – es sollte den hochrangigen Gästen der Stadt an nichts fehlen.
Am Tage des Festes wurde der Saal des Kunzenhofs von unzähligen Fackeln und Kerzen in hohen Leuchtern erhellt, deren Flammen ein gelbliches Licht auf das Treiben warfen. In einem mannshohen Kamin loderte ein Feuer, das von zwei eigens dafür aufgestellten Dienern am Brennen gehalten wurde. Der Boden war mit frischem Stroh ausgelegt, und die langen Tafeln mit ihren weißen Laken bogen sich fast unter der Last der Speisen.
Als Albert, Walther und Thiderich den Saal betraten, schlug ihnen sofort der Duft von Gebratenem, Gekochtem und Gebackenem entgegen. Die Luft schien an diesem Tage gleichermaßen erfüllt von den betörenden Düften der vielen Köstlichkeiten und der mühsam unterdrückten Spannung der Hamburger zu sein, die mit ihnen am Mahl teilnahmen. Die Freunde waren ganz offensichtlich unter den letzten Gästen, denn der Saal war bereits über und über mit den einflussreichsten und vermögendsten Kaufleuten und Ratsherren der Stadt gefüllt. Obwohl ein Festmahl eigentlich ein Grund zur Freude war und von keinem Mann verschmäht wurde, konnte man deutlich spüren, dass heute wohl ein jeder der Anwesenden eine sofortige Verkündung der Nachfolge den vielfältigen Speisen vorgezogen hätte, mochten sie auch noch so verlockend sein.
Thiderich stieß beim Anblick der gedeckten Tische einen anerkennenden Pfiff aus. »Wenigstens kann man nicht behaupten, die Grafen ließen sich die Gunst der Hamburger nichts kosten.«
Albert winkte mit einem schiefen Lächeln ab. »Sei dir sicher, mein Freund, die Schauenburger werden einen Weg finden, um dieses Festmahl nicht selbst bezahlen zu müssen. In dieser Hinsicht sind die Fürsten äußerst einfallsreich.«
Die Freunde schritten aufmerksam die langen Tafeln entlang. Hier und da nickten sie jemandem zu oder ließen sich gar auf ein kurzes Gespräch ein. Der gebührende Anstand ließ es einfach nicht zu, an gewissen Männern wortlos vorbeizugehen. Dennoch mussten sie zusehen, dass sie noch einen Platz auf den übervollen Holzbänken bekamen. Schon jetzt drängten sich die Herren dicht an dicht. Zu Alberts großem Bedauern war der offenbar letzte noch verbliebene Platz in unmittelbarer Nähe von Johannes vom Berge, der den Neuankömmlingen mit einer steifen Kopfbewegung und arrogant hochgezogenen Augenbrauen zunickte.
Albert rang sich eine unterkühlte Begrüßung ab, obzwar er vom Berge viel lieber
Weitere Kostenlose Bücher