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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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eine der Mägde wieder fortzuschicken. Doch auch wenn sie ihren Willen wieder einmal bekommen hatte, stimmte sie das Gespräch mit Walther traurig. Was war nur mit ihnen beiden geschehen? Behutsam legte sie ihre freie Hand auf ihren mittlerweile leicht geschwollenen Bauch und schaute auf ihren Gemahl. In ein paar Monaten würde ihr drittes Kind zur Welt kommen. Es wurde Zeit, dass sie Johann endlich vergaß. Sie wusste, dass sie die Schuld daran trug, dass ihre Ehe mit Walther auf diese Weise verlief. So viele Jahre hatte er nun um ihr Herz gekämpft – vergeblich.
    Gerade als sie den Mund öffnete, um ihm nochmals zu danken, schüttelte er ihre Hand ab und schritt wortlos aus der gemeinsamen Schlafkammer. Runa blieb allein zurück. Schmerzlich machte sich bemerkbar, was sie sowieso schon wusste: Sie war dabei, die Liebe ihres Gemahls zu verlieren, wenn es nicht sogar schon zu spät war.
    Betrübt verließ auch sie wenig später die Kammer und eilte in Richtung Küche, wo sie ihre beiden Mägde fand. Johanna kehrte, Agnes saß am Tisch und schnitt Rüben. Poppo hatte es sich auf ihrem Schoß bequem gemacht und starrte fortwährend in Johannas Richtung, was Runa sofort bemerkte. »Was hat denn der Kater? Warum starrt er Johanna so an?«
    Agnes antwortete mit einem Schulterzucken. »Das weiß nur Gott allein. Wann immer Johanna in seine Nähe kommt, faucht er sie an. Nachdem Marga ihn deshalb an die frische Luft gesetzt hat, benimmt er sich ein wenig besser. Mittlerweile können sie wenigstens zu zweit in der Küche sein, ohne dass er sie anfällt.«
    Runa war zu ihrem geliebten Kater gegangen und hatte ihn auf den Arm genommen. Poppo schnurrte und genoss die Streicheleinheiten sichtlich. Runa liebte sein schwarzes Fell und seinen Eigensinn – dennoch durfte er die Mägde nicht anfallen. »Du muss nett zu Johanna sein, Poppo. Ansonsten schläfst du draußen und nicht in der Küche an der warmen Feuerstelle. Hast du verstanden?« Nach ihrer halbherzigen Ermahnung erinnerte sie wieder den eigentlichen Grund ihres Kommens und wandte sich Johanna zu.
    »Du hast gut gearbeitet, Johanna. Marga war zufrieden mit dir, und ich bin es auch. Jetzt, da ich Agnes wiederhabe, erlaube ich dir, deine Familie für einen Tag zu besuchen. Du kannst morgen gehen.«
    Johanna knickste artig und senkte den Blick. Mit einem Lächeln auf den Lippen dachte sie, dass der Zeitpunkt für diese Nachricht gerade richtig kam.
    Kurz nachdem Johanna das Haus ihrer Herrschaft verlassen hatte, erreichte sie das Stadttor. Von anzüglichen Witzen der Wache begleitet verließ sie Hamburg in Richtung Wald. Ihr neues Leben war ihr vor Kurzem noch fremd gewesen, doch sie hatte sich schnell daran gewöhnt. Während sie früher einfach gehen konnte, wohin es ihr beliebte, musste sie heute stets damit rechnen, dass sie nach ihrem Weg gefragt oder gar von Männern belästigt wurde. Zu ihrem Glück war es nicht ungewöhnlich, dass Mägde die Stadt verließen, um Kräuter zu pflücken. Genau aus diesem Grund hatte sie auch einen Korb mitgenommen.
    Als sie außerhalb der Sichtweite der Wachen war, die ihr noch lange Zeit hinterhergepfiffen hatten, riss sie sich wütend die Haube vom Kopf. Sie hasste dieses Ding. Der grobe Leinenstoff kratzte, und es war furchtbar warm darunter.
    Sie verließ den Trampelpfad und steuerte mitten auf das tiefste Dickicht zu. Alles sah so anders aus als noch vor ein paar Wochen. Damals hatte hier Schnee gelegen, und nun ließen die Sonnenstrahlen das erste zarte Grün sprießen. Fast meinte sie schon, sich verlaufen zu haben, als sie endlich die Hütte sah. Wie erwartet stürzte Luburgis heraus, bevor ihr Besuch auch nur an die Türe klopfen konnte. Johannes war zu Hause!
    »Mein Junge, du bist wieder da. Der Herr sei gepriesen!« Mit weit ausgebreiteten Armen rannte Luburgis auf Johannes zu und bedeckte ihn mit Küssen. »Nun sag doch etwas! Geht es dir gut?«
    Erst nachdem er sich ein paarmal geräuspert hatte, gelang es ihm zu sprechen. Die vielen Wochen, in denen er kein einziges Wort gesprochen hatte, waren ihm schwergefallen. »Mir geht es gut, Mutter. Ich habe Durst. Lass uns hineingehen.«
    Kurz darauf saßen sie sich in der Hütte gegenüber. Luburgis zitterte vor Aufregung. Seitdem Heseke vor nunmehr drei Monaten das letzte Mal in den Wald gekommen war, um zu verkünden, dass im Haus von Runa und Walther eine Magd gebraucht wurde, hatte sie ihren Stiefsohn nicht mehr gesehen. Sie war in dieser Zeit schrecklich einsam gewesen,

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