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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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doch nun hatte sie ihn endlich wieder.
    Johannes hatte sich verändert; er war fülliger geworden und sah nicht mehr so blass aus. Zunächst hatte Luburgis die Befürchtung gehabt, dass er weniger nach einem Mädchen aussehen würde, wenn er besseres Essen bekäme und an Gewicht zunahm, doch sie musste sich jetzt eingestehen, dass diese Angst unbegründet gewesen war. Johannes sah wahrhaftig aus wie eine Johanna. Es war nicht bloß die Kleidung oder das mittlerweile längere Haar, das ihn so fraulich wirken ließ. Nein, alles an ihm schien sich seinem neuen Leben anzupassen. Selbst sein immer schon spärlicher heller Bart, den er jeden Tag heimlich hatte mit einem Küchenmesser rasieren müssen, wuchs kaum mehr.
    »Sag, wie haben sie dich behandelt, Junge? Ist es dir gut ergangen?«, fragte Luburgis mit einem weichen Ton.
    Doch Johannes ging nicht darauf ein. Wie sollte es ihm als Mann in Frauenkleidern und als Magd schon ergehen? »Mutter, höre mir zu. Ich habe Neuigkeiten.«
    Sichtlich erstaunt über den entschlossenen Ton ihres sonst so weinerlichen Stiefsohns setzte Luburgis eine ernste Miene auf und lauschte gebannt, als Johannes zu erzählen begann.
    Es stellte sich heraus, dass er seine neue Aufgabe wahrlich beherrschte. Genau wie von Heseke verlangt hatte er zahlreiche Gespräche im Hause von Sandstedt belauscht, so auch jenes, von dem er gerade berichten wollte, als die Tür der Hütte geöffnet wurde.
    »Heseke?«, fragte Luburgis erstaunt.
    »Ja, ich bin’s«, antwortete diese darauf atemlos. »Johannes hat mir eine Nachricht zukommen lassen, bevor er die Stadt verließ. Ich bin durch ein anderes Stadttor gegangen, damit die Wachen keinen Verdacht schöpfen.«
    Nachdem sie sich zu dritt an den wackeligen Tisch in der Mitte der Hütte gesetzt hatten, begann Johannes zu erzählen.
    Dabei entging auch Heseke nicht, wie sehr er sich seit ihrem letzten Treffen verändert hatte. Seine Worte klangen entschlossen, und seine Haltung war aufrecht. Trotz seiner lächerlich wirkenden Frauenkleider strahlte er eine gewisse Selbstsicherheit aus. Es schien, als täte ihm seine neue Aufgabe gut.
    »Ich konnte einiges über Alberts Geschäfte herausbekommen«, begann Johannes an die Frauen gerichtet. »Wie ihr wisst, hängt sein Erfolg untrennbar mit dem Grafenhaus zusammen. Noch immer begründet sich sein Reichtum darauf, dass die Grafen nach dem Feuer vor über sechs Jahren durch den Vogt verboten hatten, Holz in das verbrannte Hamburg zu liefern, um die Städter zu unterwerfen. Damals war Albert schlau genug, Graf Gerhard I. einen Handel vorzuschlagen, der diesem von jeder seiner verkauften Fuhren Wagenschrott die Hälfte des Gewinns zusichert. Aber genau mit diesen Handel könnte es bald schon ein Ende haben.«
    »Was willst du damit sagen?«, fragte Luburgis interessiert.
    »Das will ich dir gerade erklären, Mutter. Höre nur zu. Dieser Handel ist nun auf den fast blinden Sohn des Verstorbenen, Graf Gerhard II., übergegangen. Albert schuldet neuerdings ihm seine Münzen. Doch seit der letzten Ratssitzung hat er ein großes Problem.«
    Heseke wusste bereits, was nun kommen würde, und sie war so ungeduldig, dass sie Johannes einfach ins Wort fiel. An Luburgis gerichtet erklärte sie: »Dein Bruder hat dafür gesorgt, dass der Rat womöglich die meisten Zahlungen an die Grafen verbieten wird, damit Hamburg mehr Unabhängigkeit erlangt und die Grafen nicht noch weiter gestärkt werden. Es soll eine Sitzung mit dem gesamten Rat einberufen werden, bei der darüber entschieden wird, ob Geschäfte mit den Schauenburgern weiterhin erlaubt sind.«
    »Ich verstehe noch immer nicht. Was hat das alles mit Albert zu tun?«
    Nun war es wieder Johannes, der antwortete. »Mutter, sollte der Rat in Zukunft die Geschäfte mit dem Grafenhaus verbieten, müsste sich Albert entweder gegen den Rat oder aber gegen das Grafenhaus stellen. Beides würde seinen Untergang bedeuten, denn er ist sowohl diesem als auch jenem verpflichtet.« Johannes machte eine bedeutungsschwere Pause und sah die beiden Frauen eindringlich an. Dabei entging ihm nicht, wie sehr es sie nach seinen Worten dürstete. Er genoss diese neue Macht und kostete sie noch einen Moment lang aus, bevor er fortfuhr: »Ich habe belauscht, wie Albert und seine Gefährten einen Plan geschmiedet haben, mit dem sie die Forderung meines Onkels vorerst umgehen wollen. Albert hat Godeke beauftragt, all sein Holz sofort zu verkaufen. Wenn das geschehen ist, soll Thiderich nach Plön

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