Tochter des Ratsherrn
und Umarmungen prasselten nur so auf sie herab, und auch manch neidischer Blick fiel ihr zu. Doch anders als in den vergangenen Wochen konnten diese Blicke Margareta nicht mehr treffen. Im Gegenteil, sie labte sich geradezu daran! Margareta war sich sicher: Dies war der glücklichste Tag in ihrem Leben – jedenfalls bis zur Hochzeit!
11
Endlich waren die Kinder mal einen Augenblick still, dachte Johannes, der auf Freyja und Thymmo blickte. Friedlich wie sonst selten saßen sie bei ihm und Agnes in der Küche und aßen Kringel, die ihre Großmutter Ragnhild ihnen von Marga hatte vorbeibringen lassen.
So gut sich Johannes auch an die weibischen Tätigkeiten gewöhnt hatte, die seine Stellung als Dienstmagd mit sich brachte – der Umgang mit Kindern fiel ihm immer noch schwer. Kinder waren laut und ungestüm, meistens dreckig, und immer wollten sie irgendetwas! Nie hätte er gedacht, dass ihre Erziehung so viel Geduld erforderte. Auch wenn dieses Eingeständnis Überwindung kostete: Das Leben eines Weibes war weit härter als das eines Mannes.
»Johanna! Aufwachen … Johaaannaaa!« Agnes schnipste ungeduldig mit den Fingern und riss ihn so aus seiner Träumerei. »Steh nicht rum wie ein Besen! Es wäre zu freundlich, wenn du mir endlich zur Hand gehen würdest!«
Sofort setzte sich Johannes in Bewegung. Er wusste, dass Agnes’ Worte nicht böse gemeint waren. Sie hatte einen rauen Ton, doch daran waren bloß ihre hinderlichen Verletzungen schuld.
Seit dem Tage, an dem sie sich die Verbrühungen zugezogen hatte, konnte sie sich nur noch langsam fortbewegen. Die Haut an ihren Beinen war so hart geworden, dass es ihr nahezu unmöglich war, die Knie zu beugen. Doch sie war am Leben – und sie war dankbar dafür, wie sie Johannes schon mehrfach versichert hatte. Die viele harte Arbeit jedoch ließ sie an manchen Tagen schier verzweifeln. Häufig wünschte sie sich, so beweglich wie früher zu sein. Sie war eine fleißige Magd, die am liebsten alles selbst in die Hand nahm. Doch nun, da der Priester und Ava auch noch hier im Hause wohnten und die beiden Mägde fast doppelt so viel zu tun hatten, war es einmal mehr unmöglich geworden, all die anfallenden Arbeiten alleine zu bewältigen.
Doch gemeinsam hatten sie einen Weg gefunden, trotz Agnes’ steifer Beine und Johannes’ Stummheit. Während Agnes im Sitzen Gemüse putzte, den Kessel mit Sand säuberte, auf die Kinder achtete oder Wäsche wusch, holte Johannes eimerweise Wasser aus dem Reichenstraßenfleet, ging zum Markt, kehrte das Haus und trug die Speisen die Stiegen auf und ab. Sie hatten sich aufeinander eingespielt und waren froh um die Gegenwart des anderen.
Anfänglich hatte Johannes die Verkleidung als Johanna und die damit untrennbar verbundenen Aufgaben einer Magd als große Last empfunden. Er war mürrisch ob seines Schicksals gewesen und hatte mit seinem neuen Leben als Mitglied eines niederen Standes gehadert. Irgendwann aber nahmen diese Empfindungen eine Wende.
Agnes hatte es ihm leichtgemacht, obwohl sie das nicht musste. Sie war vor ihm die Magd im Hause der von Sandstedts gewesen und hätte darauf bestehen können, dass er ihr demütigst untergeben war, doch das war nicht ihre Art. Agnes war immer gerecht gewesen und hatte ihm geduldig alles beigebracht, was er wissen musste. Zudem stand sie ihm bei, wo sie nur konnte.
Eines Tages, als Johannes auf den Straßen von anderen Mägden wegen seines Aussehens gehänselt wurde, hatte sie ihn sogar verteidigt, auf dass die Mädchen sich trollten. Und irgendwann danach waren sie so etwas wie Freundinnen geworden. Echte Freundinnen, die sich ab und an uneins waren, weit häufiger aber miteinander lachten und füreinander da waren.
Nie zuvor hatte Johannes eine solche Verbundenheit zu einer Frau verspürt. Das verwirrte ihn. An manchen Tagen spürte er gar die Angst, sich in seiner Rolle zu verlieren. Nach so vielen Wochen als Johanna fühlte Johannes sich als Frau und festes Mitglied dieser Familie ungewohnt heimisch. Die Hütte im Wald, die so lange sein Zuhause gewesen war, und sogar seine Stiefmutter vermisste er immer seltener. Oft musste er sich daran erinnern, weshalb er eigentlich hier war.
Doch immer dann, wenn er seinen Zwillingsbruder Godeke zu Gesicht bekam, traf es ihn wie ein Schwerthieb, und aus Johanna wurde wieder Johannes. Godeke hatte so vieles, das er begehrte, und darum hasste er ihn.
Er war so groß und stattlich. Hatte mit Oda eine hübsche Frau geheiratet und war durch
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