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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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sein.
    Auf Weisung des Grafen Gerhard II. hin, hatten die Freunde am Tag der Eiderneuerung füreinander bürgen müssen. Sollte sich herausstellen, dass Thiderich die gräflichen Münzen tatsächlich nicht mehr hatte übergeben können, wäre vor allem Albert in großen Schwierigkeiten. Möglicherweise wusste Graf Gerhard II. noch gar nichts davon, doch das würde sicher nicht lange so bleiben. Bald schon konnte Albert der Ruf des Fürsten nach dem ihm zustehenden Anteil ereilen.
    Auf Walthers Frage, woher Albert erneut so schnell an eine derart hohe Summe kommen wollte, hatte dieser bislang keine Antwort gefunden. Alles Holz aus seinem Lager war verkauft. Der einzige Weg, der ihm jetzt noch blieb, war, eine Schuldsumme bei einem reichen Kaufmann aufzunehmen und diese ins Schuldbuch eintragen zu lassen. Doch diese Eintragung setzte ein Geständnis voraus, welches Albert noch gern etwas hinausgezögert hätte; ein Geständnis, dass Thiderich zum Grafen geritten war, obwohl der Rat diese Art von Geschäften verboten hatte.
    Voller Sorge fragte sich Walther, ob der Rat Albert beistehen würde, auch wenn er seiner Verordnung zuwider gehandelt hatte. Es sollte sich bald herausstellen – morgen bei der Ratssitzung, wo Albert die Wahrheit verkünden wollte, wie er seinem Nuncius heute erzählt hatte, der gerade durch die Straßen Hamburgs lief.
    Walther konnte die Türe der Schenke bereits sehen. So harmlos sie von außen auch wirkte, dahinter verbarg sich wahrhaft Liederliches, und genau das war sein Ziel. Er suchte Sünde und Zerstreuung, um sich wenigstens vorübergehend abzulenken. Möglicherweise auch, um im Stillen gegen seinen geistlichen Ziehvater aufzubegehren.
    Gedämpftes Gejohle kündigte bereits von der Straße aus an, was ihn gleich erwartete. Walther stieß die Türe auf und trat ein. Seine Augen mussten sich erst an das schummerige Licht im Inneren der Schenke gewöhnen. Dann aber sah er, dass jeder der groben Tische und Bänke über und über mit Männern besetzt war.
    Betrunkene, stinkende, sabbernde Männer, die schon seit geraumer Zeit kein Tageslicht mehr zu Gesicht bekommen hatten. Einige von ihnen waren so abgefüllt, dass sie mit den Köpfen auf den Tischen schliefen. Andere wiederum waren noch munter und riefen der drallen Wirtsfrau derbe Sprüche hinterher. Sie war leichter bekleidet, als es sich einer anständigen Frau geziemte, wenngleich sie mehr Stoff trug als eine Hure. Ihre Aufgabe war es, die Gier der Männer zu wecken und ihnen vorzugaukeln, dass sie leicht zu haben sei. Doch mehr als ein Lächeln, kokette Versprechen und einen tiefen Einblick in ihren Ausschnitt bekam vermutlich keiner von ihnen.
    Walther setzte sich an einen Tisch weit weg von der Feuerstelle. Es war unglaublich stickig in der Schenke. Ein Platz am Kamin war das Letzte, was er sich jetzt wünschte. Mit einem freundlichen Nicken begrüßte er die Männer an seinem Tisch; es waren drei an der Zahl. Einer von ihnen schlief bereits. Die anderen beiden hatten rote Nasen und aufgedunsene Gesichter vom Bier. Doch im Vergleich zu den übrigen Trinkfreudigen waren sie noch einigermaßen nüchtern.
    Einer der beiden sprach Walther an. »Du bist doch der singende Nuncius, nicht wahr?«
    Walther blickte erstaunt zu ihm herüber. »Woher weißt du, wer ich bin?«
    Bevor er antwortete, erklärte der Mann: »Ich bin Kuno, und das ist Ulrich. Wir arbeiten eigentlich auf der Baustelle am Dom.«
    »Und dort erfährt man etwas über singende Nuncios?«, fragte Walther etwas verwundert.
    »Aber nein, wir sind nicht immer bloß Gehilfen. Bei dem großen Fest am Kunzenhof, da waren wir auch unter den feinen Herren.« Stolz hob Kuno sein Kinn, um bedeutender auszusehen. »Ich habe den ganzen Abend darauf geachtet, dass das Feuer im großen Kamin nicht ausging, während die Ritter und Grafen speisten.«
    »Soso«, antwortete Walther etwas belustigt von Kunos wichtigtuerischem Gehabe. Doch er hatte ein Nachsehen mit ihm, schien er doch noch nicht älter als siebzehn Jahre zu sein.
    »Nun ja, an dem Abend hast du doch gesungen, oder etwa nicht?«, fragte Ulrich etwas weniger selbstsicher als sein Saufkumpan.
    »Ganz recht, so war es. Gut beobachtet«, stimmte Walther dem ebenso jungen Kerl zu.
    Mit einem Mal hieb Kuno seinem Freund den Ellenbogen freundschaftlich, wenngleich etwas zu heftig in die Seite. »Hab ich es dir doch gesagt! Ich vergesse niemals ein Gesicht.«
    Ulrich nickte mit schmerzverzerrtem Antlitz.
    Walther schmunzelte und

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