Tochter des Ratsherrn
bestellte sich und auch Kuno und Ulrich ein Bier. Diese beiden Burschen waren genau das, was er gerade brauchte, um sich auf andere Gedanken zu bringen. Schließlich war er deshalb hergekommen – er wollte sich mal so richtig kräftig besaufen.
Schnell entwickelte sich zwischen den Männern eine fröhliche und lautstarke Unterhaltung. Sie redeten über die Arbeiten am Dom, über Weiber und über Bier. Letzterem sprachen sie in solch rauen Mengen zu, dass ihre Zungen und Köpfe langsam schwerer wurden.
Ulrich vertrug am wenigsten. Bald schon konnte er sich nicht mehr an ihrer Unterhaltung beteiligen. Immer wieder kippte sein Kopf im Halbschlaf nach vorne, nur um kurz darauf wieder ruckartig nach oben gerissen zu werden. Mit der Faust umklammerte er noch immer das Messer, welches er vorhin herausgeholt hatte, um damit das Brot und den Käse zu schneiden, den die drei Männer sich geteilt hatten.
Fast fürsorglich nahm Kuno seinem Freund die scharfe Klinge aus der Hand und legte sie flach vor sich auf den Tisch. Mit schleppenden Worten erklärte er dem beinahe Besinnungslosen: »Wenn du Trunkenbold das Messer nicht beiseitelegst, dann wird es dir ergehen wie dem halb blinden Grafen Johann II., und du verlierst ebenfalls ein Auge.«
Walther musste kichern. Die beiden benahmen sich fast wie ein altes Ehepaar.
Dann wandte sich Kuno wieder Walther zu. »Ich sage dir, mein Freund, der Graf ist ein armer Wicht.«
»Was meinst du damit?«, fragte Walther etwas erstaunt. Auch wenn es ganz bestimmt schlimm war, ein Auge zu verlieren, so wäre er dennoch niemals auf die Idee gekommen, ein Mitglied des Grafenhauses als armen Wicht zu bezeichnen.
Kuno schaute Walther mit roten, glasigen Augen an und lallte: »Da ist man schon ein Graf und hat eine dänische Königstochter zur Braut, und dennoch ergibt man sich dem Trübsinn. Man sagt, Johann II. sei seit dem Verlust seines Auges schwermütig geworden. Er hat die Jagd geliebt, der er nun nicht mehr frönen kann, und der Schmerz in seiner leeren Augenhöhle soll ihn fast wahnsinnig machen.«
Für einen kurzen Moment war Walther mit seinen Gedanken wieder beim Tage der Nachfolge-Verkündung auf dem Kunzenhof. Der Schrei, den Johann II. von sich gegeben hatte, nachdem der Narr ihm versehentlich ein Auge ausgestochen hatte, war allen Männern im Saal durch Mark und Bein gegangen. Jede gräfliche Würde war schlagartig von ihm gewichen. Wie ein Kind hatte sich Johann II. auf die Knie fallen lassen und geheult und geschrien, bis man ihn fortbrachte. »Woher weißt du all das, Kuno?«
Der junge Bursche musste grinsen. »Ich sagte doch, ich verdinge mich auf der Baustelle am Dom. Es ist eine schwere Arbeit, doch hin und wieder wird sie mir versüßt, indem ich die hohen Kirchenmänner bei ihren Unterredungen belauschen kann – immer dann, wenn sie eigentlich beten sollten. Ich weiß, dass mich das den Kopf kosten könnte, aber ich kann es einfach nicht lassen.«
Walther wusste nicht so recht, ob er Kuno für gewitzt oder für dumm halten sollte. Doch es blieb ihm keine Zeit, darüber nachzudenken, denn von einem Moment auf den anderen blickte er auf zwei schaukelnde Brüste, die sich genau vor seinen Augen befanden.
»Wollt Ihr und Euer Freund noch ein Bier?«, gurrte die Wirtsfrau in verführerischem Ton.
Walther blickte zu ihr hoch und sagte zunächst mal nichts. Auch wenn sie keine besonders schöne Frau war, gefiel sie ihm nach seinem fünften Bier bereits viel besser als noch vor dem ersten.
»Wir hätten gern noch drei Bier … äh … ich meine zwei Bier«, berichtigte Kuno nach einem Blick auf den schlafenden Ulrich, doch die Wirtsfrau beachtete ihn gar nicht. Sie schien nur Augen für Walther zu haben.
Noch bevor er eine Antwort geben konnte, beugte sie sich zu ihm hinunter und strich ihm mit ihrer rechten Hand eine seiner dicken blonden Haarsträhnen aus der Stirn. Dabei rückte sie ihren Busen immer weiter an sein Gesicht heran. Es war offensichtlich, dass sie Walther gefallen wollte. »Wie heißt Ihr?«
»Walther von Sandstedt«, presste er mühevoll hervor und versuchte den schaukelnden Brüsten nach hinten zu entkommen, bis er mit dem Kopf schmerzhaft gegen die Wand prallte.
»Vielleicht habt Ihr ja noch weitere Begehren, Walther von Sandstedt. Ein so strammer Bursche wie Ihr einer seid, hat doch sicherlich … ich nenne es mal, unerfüllte Wünsche.« Die Wirtin legte ihre linke Hand auf seinen Oberschenkel und ließ sie langsam sein Bein in Richtung
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