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Tochter des Schweigens

Titel: Tochter des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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sich in seine Handfläche, und er entdeckte Valeria Rienzi, die sich durch die Menge auf sie zu drängte, ihr Gesicht war weiß und angespannt, und sie schien außerordentlich erregt.
    »Ich muß mit euch sprechen. Kommt und laßt uns eine Tasse Kaffee trinken.«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, hakte sie die beiden unter, zog sie auf die Straße und weiter zu einer kleinen Bar, etwa hundert Meter die Straße hinunter. Sie hatten sich kaum hingesetzt, als sie schon herausplatzte:
    »Ich habe gedacht, ihr würdet es beide gern wissen. Basilio hat mich verlassen. Er hat es mir eben beim Essen gesagt. Einfach so – die Komödie ist zu Ende!« Sie lachte hysterisch auf. »Oh – ich weiß schon, was ihr denkt. Früher oder später war das sowieso fällig. Genauso hat er es ja mit Ninette gemacht. Aber es war nicht dasselbe – es war überhaupt nicht dasselbe. Wißt ihr, wer es organisiert hat? Mein weiser, liebevoller Vater. Er legt Wert auf Familie, müßt ihr wissen! Nur die besten Hengste dürfen an die Ascolini-Stute 'ran. Und also hat er Basilio angerufen und gedroht, ihm geschäftliche Schwierigkeiten zu machen, wenn er nicht sofort aufhören würde, mich zu treffen. Gerissen, was? Jetzt hat jeder jemanden – ausgenommen mein Vater und ich. Carlo hat seine kleine Jungfrau, ihr beide habt euch. Bleiben nur Vater und ich übrig. Was soll ich jetzt tun, Peter? Wohin soll ich mich wenden?« Sie sprach immer lauter, und die Leute drehten sich nach ihr um. »Du weißt, wie ich im Bett bin. Was für ein Rezept verschreibst du mir?«
    Unter den verblüfften Blicken der Menschen an der Bar beugte Landon sich über den Tisch und schlug ihr rechts und links ins Gesicht, worauf ihr hysterischer Anfall sich in Schluchzen auflöste. Ninette saß schweigend und schamrot da, während Landon ein Taschentuch über den Tisch zu Valeria warf. Er sagte ruhig: »Trockne dir die Augen ab. Du machst dich hier lächerlich.«
    Sein Ton ließ sie zu sich kommen, und sie tupfte sich die Tränen vom Gesicht, während Ninette und Landon einander in die Augen sahen. Landon sprach als erster:
    »Ich denke, du hattest es sowieso schon erraten, Ninette. Es tut mir leid, daß du es auf diese Art hören mußtest.«
    Sie schüttelte den Kopf und wagte nicht zu sprechen. Aber sie streckte impulsiv die Hand aus und legte sie auf seine. Mit derselben ruhigen Stimme wandte sich Landon an Valeria:
    »Warum redest du nicht weiter? Du willst dich rächen. Und du weißt, wie man das macht. Erzähl deinem Vater die Geschichte. Erzähl sie Carlo. Das ist doch der günstigste Augenblick, nicht wahr? Mitten in seinem Fall.«
    »Ich möchte es«, flüsterte sie. »Du weißt nicht, wie sehr ich es möchte.«
    »Aber du wirst es nicht tun!« sagte Ninette mit Schärfe.
    »Warum nicht?«
    Sie musterten einander wie Duellanten, und Landon fühlte sich plötzlich völlig ausgeschlossen. Ninette Lachaise sagte leise:
    »Du wirst es nicht tun, Valeria, weil Carlo, ob du es nun weißt oder nicht, deine letzte Hoffnung ist. Ich weiß es, weil ich selber ein Stück deines Weges gegangen bin. Viele Männer vom Schlage Lazzaros kannst du einfach nicht überleben. Und nach einer Weile bekommen wir keine anderen mehr. Wir alle nicht. Es kommt wirklich gar nicht darauf an, ob Carlo nun gewinnt oder verliert, aber wenn du ihn kaputtmachst, bevor er seine Chance hat wahrnehmen können, dann machst du dich selber kaputt.« Im gleichen Atem wandte sie sich an Landon und sagte mit einem verlegenen kleinen Lächeln: »Geh du zum Gericht zurück, Peter. Das hier ist von jetzt an eine Frauenangelegenheit.« Als er in die Glut der Mittagssonne hinaustrat, kam er sich vor, wie dem Henker noch einmal entronnen. Fünf Minuten später war er wieder im Gericht und wartete an Ascolinis Seite darauf, daß die Angeklagte hereingeführt würde. Der alte Herr war bedrückt. Als Landon sich nach seiner Unterredung mit Carlo erkundigte, antwortete er geistesabwesend:
    »Wir haben uns eine Weile unterhalten. Er war sehr nett. Ich habe ihm ein paar Tips gegeben. Er schien dankbar dafür.«
    »Aber es war doch ein Fortschritt?«
    »O ja. Das glaube ich schon.« Nach kurzem Schweigen fügte er hinzu: »Carlo hat mich mit in die Zelle genommen. Ich habe mich mit dem Mädchen und Galuzzi unterhalten.«
    »Was für einen Eindruck hat sie auf Sie gemacht?«
    »Ein rührendes Kind – eine bemitleidenswerte Frau. Was soll man da sagen?«
    Landon hatte das Gefühl, Ascolini bedachte Dinge, über die

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