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Tochter des Schweigens

Titel: Tochter des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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örtlichen Partisanen zusammengearbeitet hatte.«
    »Besonders mit Gianbattista Belloni?«
    »Ja.«
    »Und die Untersuchungsakten enthalten ein Empfehlungsschreiben von Belloni?«
    »Ja.«
    »Was war Ihre Meinung über ihn?«
    »Er war ein Patriot und ein tapferer Mann.«
    »Sie haben später nie Ursache gehabt, diese Meinung zu ändern?«
    »Nein.«
    »Ich bitte Sie, Sergeant – und ich bitte auch das Gericht –, die Aufmerksamkeit auf den Gegenstand Nummer fünfundsiebzig in der Aufstellung der Beweismittel, die dem Gericht vorliegt, zu richten.« Er wartete einen Augenblick, während die Richter in ihren Papieren blätterten, und fuhr dann fort: »Es handelt sich um die Fotokopie eines Verfahrensberichts aus den Akten des Polizeipostens von San Stefano. Und zwar um den Bericht über Verhandlung, Urteil und Exekution von Agnese Moschetti, Mutter der Anna Moschetti, im November neunzehnhundertvierundvierzig. Der Bericht ist unterschrieben und beglaubigt von Gianbattista Belloni und fünf anderen Mitgliedern des Standgerichts. Sie werden bemerken, daß der Bericht vom sechzehnten November neunzehnhundertvierundvierzig datiert ist – drei Tage nach dem Tode der Agnese Moschetti. Doch wurde er erst am fünfundzwanzigsten Oktober neunzehnhundertsechsundvierzig zu den Polizeiakten genommen – lange nach dem Waffenstillstand, einen Monat nach Sergeant Fiorellos Ernennung zum Postenführer. Können Sie dem Gericht erklären, warum, Sergeant?«
    »Das kann ich. Der Bericht wurde verfaßt und beglaubigt, während die Faschisten noch an der Macht waren und die Deutschen das Land besetzt hielten. Er war daher selbstverständlich gefährlich. Belloni hielt ihn bis nach dem Krieg versteckt und gab ihn mir dann zu den Akten.«
    »Würden Sie den Bericht für ein ungewöhnliches Dokument halten?«
    »In welcher Hinsicht?«
    »Unter den damals herrschenden Begriffen und Zuständen war die Verurteilung und Hinrichtung der Agnese Moschetti eine Kriegshandlung. Wieso hielt Belloni es für nötig, einen Bericht darüber anzufertigen? Können Sie mir irgendeinen anderen Vorfall nennen, über den die Partisanen einen ähnlichen Bericht verfaßt haben?«
    »Nein.«
    »Warum hat Belloni dann diesen ungewöhnlichen Schritt getan?«
    »Wie er mir erklärt hat, war die Exekution einer Frau ein bitteres Geschäft – das waren seine Worte ›ein bitteres Geschäft‹ –, und er legte Wert darauf, daß die Umstände festgehalten und bekanntgemacht würden.«
    »Das war der einzige Grund?«
    »Ich wüßte keinen anderen.«
    »Es ist, beispielsweise, keine Forderung nach öffentlicher Untersuchung erhoben worden?«
    »Nicht daß ich wüßte.«
    »Keine Gerüchte, keine Zweifel oder Fragen über die wahren Hintergründe der Moschetti-Affäre?«
    »Nein.«
    »Nur interessehalber, Sergeant, wo hat das Standgericht getagt?«
    »Das steht in dem Bericht. In Agnese Moschettis Haus in San Stefano.«
    »Direkt im Dorf? Wo war denn die Polizei zu diesem Zeitpunkt – und besonders Sie selber?«
    »Auf Patrouille. Kilometerweit weg. Belloni hatte mit verstellter Stimme angerufen und erklärt, die Partisanen planten in dieser Nacht, die Eisenbahn zu sprengen.«
    »Wußten Sie, was geplant war?«
    »Nein.«
    »Aber ich dachte, Sie hätten sein Vertrauen genossen und mit ihm zusammengearbeitet?«
    »Es war ein Prinzip, daß niemand mehr wußte, als er unbedingt wissen mußte. So war es sicherer. Ich habe getan, was mir gesagt wurde, und keinerlei Fragen gestellt.«
    »Sergeant, Sie sind sich im klaren, daß Sie hier unter Eid aussagen?«
    »Ja.«
    »Dann lassen Sie mich bitte eine frühere Frage wiederholen:
    Hat sie nach Ihrer Ernennung zum Führer des Polizeipostens von San Stefano irgend jemand irgendwann einmal gebeten, eine Untersuchung über die Umstände bei Agnese Moschettis Tod einzuleiten?«
    »Nein!«
    Rienzis Zeigefinger fuhr wie ein Degen gegen ihn:
    »Sie lügen, Sergeant! Sie lügen unter Eid – und ich werde es dem Gericht beweisen!« Er wandte sich um und machte eine kleine entschuldigende Verbeugung vor den Richtern.
    »Ich habe keine weiteren Fragen an diesen Zeugen, Herr Präsident.«
    »Aber das Gericht!« sagte der Präsident und musterte kalt den stämmigen, sturen Burschen im Zeugenstand. »Sie haben noch Zeit, Ihre Aussage zu ergänzen, Sergeant. Falls spätere Aussagen Sie des Meineids überführen sollten, sehen Sie einer schweren Strafe entgegen.«
    Einen Augenblick glaubte Landon, er wollte auftrumpfen, aber dann

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