Tochter des Schweigens
denn nach dem Mittagessen ziellos und glücklich im Park der Villa umher. Sie redeten über Frascati. Und wie sie dort wohnen wollten: nicht in der Stadt, nicht zwischen den prinzlichen Residenzen der Conti, der Borghese und der Lanzelotti, sondern auf einem kleinen Grundstück in den Albaner Bergen, mit einem Weingarten vielleicht und einem kleinen Pachtgut, auf alle Fälle jedoch mit einem Garten, in dem sie Spazierengehen und die Sonne hinter den fernen Hügeln Roms untergehen sehen konnten. Sie sprachen über eine Ausstellung von Ninettes Bildern, von Freunden, die sie in ihrer ländlichen Einsamkeit besuchen würden, und auch davon, wie ihre Kinder gleichzeitig als Bürger einer neuen und einer alten Welt geboren werden würden.
Dann, als die Schatten länger wurden, gesellte sich Ascolini zu ihnen, aufgeräumt und geschwätzig nach seiner Siesta.
»Ein großer Tag, meine Freunde! Ein großer Tag. Und wir schulden Ihnen eine Menge für Ihren Anteil daran. Sie wissen, was wir jetzt brauchen.« Er deutete aufgeregt auf das Haus. »Ein Liebeselixier für die beiden da. Lachen Sie nicht! Die Großmütter brauen es in dieser Gegend immer noch für bäuerliche Liebhaber. Wir sind natürlich zu aufgeklärt für solchen Unsinn. Aber – es hat schon sein Gutes.«
Ninette lachte belustigt auf.
»Geduld, dottore ! Ganz gleich, wie sehr Sie ihn auch antreiben, der kleine Esel trottet so schnell oder so langsam es ihm paßt.«
Ascolini lächelte und warf einen Kieselstein nach einer vorüberhuschenden Eidechse.
»Ich bin ja gar nicht ungeduldig. Valeria ist es. Sie ist jetzt ganz versessen auf Versöhnung. Sie verlangt Beweise dafür, daß er ihr vergeben hat. Aber ich sage ihr immer wieder: Langsam, langsam! Und vor allen Dingen sanft, wenn ein Mann so mitgenommen ist wie Carlo.« Er lächelte versonnen vor sich hin. »Bei mir war das anders. Nach jedem großen Fall war ich ganz wild auf eine Frau. Vielleicht wird das bei Carlo mal genauso – wenn er diese Anna erst einmal vergessen hat.«
»Wo wird sie hinkommen? Wissen Sie es schon?«
»Es steht noch nicht fest. Vorerst einmal wurde sie wieder nach Gimignano gebracht. Aber Galuzzi hofft, sie zu den Samariterschwestern nach Castelgandolfo überweisen lassen zu können. Dort haben sie ein großes Hospiz für psychiatrische Fälle. Es ist sehr schön, glaube ich, und sehr gut.« Er tat die Sache mit einem Schulterzucken ab und fragte: »Was werden Sie beide jetzt tun?«
»Wir gehen nach Rom«, sagte Landon. »Sobald wir gepackt und Ninettes Atelier geräumt haben.«
»Hoffentlich sehen wir Sie dort. Wir fahren auch in ein paar Tagen. Ich möchte Carlo langsam in meine Praxis einführen.«
»Wie gefällt ihm die Idee?«
»Gut, denke ich. Jetzt, wo wir sozusagen auf gleicher Ebene stehen. Was mich angeht, so brauche ich vor allem Ruhe, um viele liegengebliebene Dinge zu ordnen. Und wenn diese beiden miteinander glücklich werden können, dann kann auch ich wieder anfangen, glücklich zu sein.« Er brach einen Zweig von einem Oleanderbusch, setzte sich auf eine Steinbank und zeichnete Figuren in den Kies. »Das Leben ist eine verzwickte Komödie, meine Freunde. Hätten Sie mir vor sechs Wochen gesagt, daß ich hier sitzen, den Cupido spielen, von Enkelkindern träumen und sogar daran denken würde, zur Beichte zu gehen – ich hätte Ihnen glattweg ins Gesicht gelacht! Und doch ist es genauso gekommen. Ich frage mich manchmal, ob es nicht zu leicht gegangen ist und ob mich nicht noch einer mit der Rechnung erwartet.«
»Warum denn, dottore?« fragte Ninette warm. »Das Leben besteht nicht nur aus Soll und Haben. Es gibt auch Geschenke, für die Dankbarkeit der einzige Preis ist.«
»Aber nur selten«, sagte Ascolini trocken. »Vielleicht bin ich auch nur ein mißtrauischer alter Patron, der sein Glück gar nicht verdient.«
»Dann lassen Sie mich Ihnen unser Glück verraten«, sagte Ninette lächelnd, »wir werden heiraten.«
Ascolini starrte sie einen Augenblick an. Dann erhellte ein entzücktes Lächeln sein kluges altes Gesicht. Er umarmte sie heftig und wirbelte mit ihr im Kreise herum.
»Wundervoll! Wie wundervoll! Sie werden die schönste Braut der Welt sein! Landon, Sie sind ein Glückspilz! Und das alles verdanken Sie nur uns. Hätten wir Sie nicht mit einem Floh im Ohr nach Siena gejagt, Sie würden heute noch mit Mannequins und Telefonfräuleins herumschäkern. Was für ein Omen! Jetzt haben wir einen doppelten Grund für unser Fest!« Atemlos
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