Tochter des Schweigens
und aufgeregt nahm er ihren Arm und führte sie auf das Haus zu. »Sie müssen es Valeria sagen, Kind!«
Auf der Terrasse rief er nach einem Diener und ließ Wein und Gläser bringen. Valeria gesellte sich zu ihnen, und als Ascolini ihr die Neuigkeit mitteilte, traten ihr Tränen in die Augen, und sie umarmte Ninette leidenschaftlich.
Ihre Wärme überraschte Landon. Zunächst konnte er keinen rechten Grund für eine so überraschende Wandlung sehen. Dann, langsam, dämmerte ihm die Wahrheit. Es war einfach die Natur dieser Menschen – das tief Zwiespältige in ihnen.
Sie waren sehr menschlich: zu menschlich, um sich mir einem nüchternen Verstand begnügen zu können. Sie waren heftig und unfähig zu Kompromissen. Mystiker und Mörder, Attentäter und Asketen entsprangen dem gleichen Grund.
Der Wein wurde gebracht, und sie tranken auf ihr aller Glück. Dann nahm Valeria Ninette mit ins Haus, um ein Kleid für sie auszusuchen, während Landon sich auf die Suche nach Carlo machte, um von ihm ein frisches Hemd für den Abend zu leihen.
Er fand ihn in einer kleinen Kammer, die ihm als Zuflucht gedient haben mußte, als das eheliche Schlafzimmer zu unfreundlich geworden war. Rienzi rieb sich den Schlaf aus den Augen, begrüßte ihn fröhlich, hörte sich seine Bitte an, zündete sich eine Zigarette an und sagte lachend: »Das ist doch was für dich, Peter! Ich erringe einen großen Triumph, mein Name wird in allen Zeitungen stehen, und hier liege ich in Unterhosen in einer schäbigen Kammer.«
»Wer weiß, wozu's gut ist. Du hast noch eine aufregende Nacht vor dir.«
»Ich weiß.« Er runzelte mißmutig die Stirn. »Ich bin gar nicht sicher, ob ich da so einfach mitspielen werde.«
»Unsinn! Das wird dir guttun. Und außerdem ist es eine nette Geste, die du nett aufnehmen solltest.«
»Die Idee ist natürlich vom Alten.«
»Nein. Von Valeria.«
Er sah Landon fragend an. »Bist du sicher?«
»Selbstverständlich. Sie und Ninette haben's zusammen ausgedacht. Ascolini hat nur die Gäste angerufen. Ich war dabei und muß es ja schließlich wissen.«
»Sie meint es ehrlich?«
»Was?«
»Einen neuen Anfang. Einen Versuch, unsere Ehe zu flicken?«
»Ja, das möchte sie. Ich bin nicht ihr Fürsprecher, das weißt du, aber ich bin überzeugt, daß sie es ernst meint. Was hältst du davon?«
Rienzi legte sich auf das Bett zurück und blies Rauchringe an die Decke. Dann sagte er langsam:
»Eine große Frage, Peter, und ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Irgend etwas ist mit mir geschehen, das ich mir nicht mal selber erklären kann.«
»Dabei ist es simpel genug, um Gottes willen. Du bist müde und ausgepumpt. Du hast in einem kritischen Augenblick deines Lebens einen großen Fall ausgefochten. Jetzt brauchst du Ruhe und Zeit, dich zu sammeln.«
»Nein, Peter. Es ist mehr als das. Weißt du, wie ich mir diesen Tag immer vorgestellt habe – den Tag meines ersten Erfolges? Genauso, wie er sich dann abgespielt hat. Die Urteilsverkündung, der Beifall, die Gratulationen meiner Kollegen, Ascolinis Kapitulation. Und dann? Dann wollte ich zu Valeria gehen, sie in die Arme schließen und sagen: ›Da hast du alles. Ich habe dir die Sterne vom Himmel geholt. Hör auf, dich wie ein kleines Mädchen aufzuführen. Komm ins Bett und laß uns ein Baby haben.‹ Und sie sollte froh und glücklich ›ja‹ sagen und alles wäre gut gewesen.«
»Aber genauso wünscht sie sich's in diesem Augenblick. Wenn du's nicht glaubst – geh zu ihr.«
»Ich weiß«, sagte Rienzi. »Das brauchst du mir nicht erst zu sagen. Aber merkst du denn nicht? Ich will es nicht mehr. Du weißt ja, wie das so geht. Als ich die erste Semesterprüfung bestanden hatte, haben wir eine Riesenparty veranstaltet. Wir haben getrunken, gesungen und uns dem Leben unendlich überlegen gefühlt. Anschließend haben wir beschlossen, die Party in einem Freudenhaus würdig zu beenden, im größten und luxuriösesten von Rom. Wir waren jung, voller Kraft und stolzgeschwellt. Aber als wir dann da waren, war plötzlich alles aus. Nicht als ob ich Angst gehabt hätte; ich hatte schon einige Erfahrungen mit Frauen. Aber das Ganze war plötzlich reizlos geworden. Zu viele Füße hatten die Schwelle schon überschritten. Zu viele Narren waren diese Stufen hochgestiegen.«
»Hast du mit einer geschlafen?«
Carlo lachte verlegen.
»Nein, ich bin nach Hause gegangen und habe mit dem Wirtstöchterchen Händchen gehalten, die fest daran glaubte, von einem
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